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Vandalismus als Kunstform Vandalismus als Kunstform: Attacken auf bekannte Werke

Von Hana Goodhart 14.11.2003, 10:06
Der britische Komiker Aaron Barschak - hier im August bei einer Pressekonferenz in Edinburgh - bezeichnet sich als „Comedy Terrorist“. (Foto: dpa)
Der britische Komiker Aaron Barschak - hier im August bei einer Pressekonferenz in Edinburgh - bezeichnet sich als „Comedy Terrorist“. (Foto: dpa) PA

London/dpa. - Ein neuer, bizarrer Trend greift in Großbritannien um sich: Vandalismus, der von seinen Urhebern zur Kunst erklärt wird. Einer dieser Kunst-Vandalen ist Aaron Barschak (37), der sich als «Comedy Terrorist» bezeichnet. Vor einigen Monaten noch hatte Barschak für Schlagzeilen gesorgt, als er die Geburtstagsparty von Prinz William im Osama-bin-Laden-Kostüm störte. Jetzt droht ihm eine Gefängnisstrafe, weil er im Sommer einen der für den diesjährigen Turner-Preis nominierten Künstler, Jake Chapman, attackierte und dabei eines der Werke der Chapman-Brüder beschädigte.

Mit dem Ausruf «Viva Goya» hatte sich Barschak Chapman genähert und einen Eimer roter Farbe über Künstler und Kunstwerk geleert. Diesen Angriff im Kunstmuseum Oxford erklärte Barschak dann seinerseits zum Kunstwerk. Die Brüder Jake und Dinos Chapman hatten zuvor einen Satz Goya-Radierungen aus ihrem eigenen Besitz mit Übermalungen versehen und damit ihrerseits als vermeintliche «Kunst-Vandalen» für Aufsehen in den Feuilletons gesorgt. Barschak behauptete, er sei in seiner Attacke mit den Werken der Chapmans so umgegangen wie diese mit den Goya-Radierungen.

Von einem weniger aggressiven Akt war die Tate Britain Mitte Oktober betroffen, als sich dort ein Mann einschlich, der sich selbst als «Art Terrorist» (Kunstterrorist) sieht: Ein Graffiti- Künstler, unter dem Namen Banksy bekannt, hängte als Rentner verkleidet in einem unbeobachteten Moment ein eigenes Bild in die Galerie. Dies wurde erst bemerkt, als das Werk Stunden später von der Wand fiel. Der 28 Jahre alte Banksy wollte nach eigenen Angaben mit seiner Aktion «das Kunst-Establishment» aufwecken.

Gleich zwei Attacken überstand Marcus Harveys Bild «Myra», ein aus Abdrücken von Kinderhänden zusammengesetztes Porträt der Kindermörderin Myra Hindley: Erst wurde es mit Tinte bespritzt, dann mit Eiern beworfen - und beide «Anschläge» wurden von Künstlern verübt. Das Werk selbst, 1997 in der «Sensation»-Schau der Royal Academy of Arts ausgestellt, war damals so umstritten, dass vier Mitglieder der Akademie ihre Posten aus Protest niederlegten.

Die Zielscheiben solcher Anschläge sind oft bekannte oder umstrittene Werke. Auch Tracey Emins ungemachtes Bett («My Bed»), eine Ikone der Young British Artists, wurde Ende der 90er Jahre Opfer eines vandalistischen Akts: Zwei chinesische «Künstler» gaben ihrem Anschlag den Titel «Two Naked Men Jump Into Traceys Bed» (Zwei nackte Männer springen in Traceys Bett). Mark Bridger, der Damien Hirsts berühmtes Schaf in Formaldehyd («Away from the Flock») mit schwarzer Tinte begoss, gab seinem Zerstörungswerk ebenfalls einen Namen: «Black Sheep» (Schwarzes Schaf).

Eine politische Botschaft verkündete der Theaterproduzent Paul Kelleher (37), als er im Juli vergangenen Jahres eine umgerechnet 210 000 Euro teure Margaret-Thatcher-Statue mit einem Baseballschläger traktierte und enthauptete. Kelleher gab an, damit seinen Unmut über den Zustand der Welt ausgedrückt zu haben. Wie viele andere Kunst-Vandalen, die ernst genommen werden möchten, wartete auch er am Tatort, bis er festgenommen wurde und eine öffentliche Erklärung abgeben konnte. Kelleher wurde zu drei Monaten Gefängnis verurteilt.

Auch das mit Aaron Barschaks Fall befasste Gericht glaubte nicht an dessen künstlerische Botschaft. In seinem Schuldspruch - das Strafmaß wird erst später festgelegt - hieß es, es handele «sich hier nicht um einen ernsthaften Versuch, eine Kunstwerk zu schaffen, sondern um eine Publicity-Aktion». Der beruflich erfolglose Barschak gab in einem Interview zu: «Ich will nicht in edler Armut sterben, natürlich will ich unbedingt berühmt werden.»