Val McDermid enttäuscht mit «Echo einer Winternacht»
München/dpa. - Dass Favoriten stürzen, dass Meister Schwächen zeigen, ist nichts Außergewöhnliches. Doch nicht nur Sportfans erleben und erleiden den Sturz ihrer Helden, auch Krimileser sind vor der Erfahrung nicht gefeit. Wohl kaum eine Lesergemeinschaft ist ihren Autoren und Autorinnen so treu wie die der Krimileser.
Dass dies auch mit Enttäuschungen einhergeht, dürften nun auch die Fans der britischen Erfolgsschriftstellerin Val McDermid erfahren, die zu ihrem neuen Roman «Echo einer Winternacht» greifen. Dabei beginnt der verheißungsvoll: In einer kalten Winternacht des Jahres 1978 finden vier junge Studenten in dem schottischen Universitätsstädtchen St. Andrews auf dem Heimweg von einer Party den blutüberströmten Körper einer jungen Frau. Während der Medizinstudent Siegmund um das Leben der jungen Frau kämpft, eilt sein Freund Alex durch den Schnee, um Hilfe zu holen.
Die Hilfe kommt zu spät, und zum Schock des gewaltsamen Todes kommt für Alex und seine Freunde noch der Schock der Erkenntnis, von der Polizei nicht als Zeugen, sondern als Hauptverdächtige betrachtet zu werden. Die bleiben sie auch in den folgenden Jahren, denn der Polizei gelingt die Aufklärung des Mordfalles nicht.
Erst 25 Jahre später kommt wieder Bewegung in den Fall, als neue kriminaltechnische Methoden die Lösung alter Fälle möglich machen. Doch verschwundene Kleidungsstücke verhindern eine DNA-Analyse und damit auch eine Identifizierung des Mörders. Als dann noch zwei der Freunde Mordanschlägen zum Opfer fallen, macht sich Alex selbst auf die Suche nach dem Mörder.
Ein viel versprechender Auftakt also, und auch eine viel versprechende Romankonstruktion, und doch kann der neue Roman der zu den erfolgreichsten britischen Kriminalautorinnen zählenden McDermid nicht überzeugen. Die Geschichte des Mordes an der jungen Frau, wie McDermid sie erzählt, atmet den Geist der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts, ist aber am Ende der 70er Jahre angesiedelt, und so beschleichen den Leser früh viele Zweifel an der Plausibilität. Auch die Belastung der Freundschaft der jungen Männer, wegen des Mordverdachts ein zentrales Thema des Romans, wirkt von Anfang an schwer greifbar und konstruiert.
Der gesamte erste Teil des Roman steht damit auf wackligen Füßen Und auch wenn McDermid zum Ende noch ein Dreh einfällt, um Spannung zu erzeugen, reicht dies nicht aus, um den zweiten Teil, das Wiederaufrollen des Falles und die Morde an den Freunden, zu tragen. Dass dem Leser noch dazu sehr frühzeitig die Lösung des Falles klar wird, ist dagegen fast eine lässliche Sünde. So bleibt nur zu wiederholen, dass auch Meisterinnen ihres Fachs straucheln können. Für den Leser ist das schade, aber die Fans werden es verschmerzen. Sie werden auch zum nächsten Roman greifen, und der mag wieder ein besseres Echo finden.
Val McDermid
Echo einer Winternacht
Droemer Verlag, München
550 S., Euro 19,90
ISBN 3-426-19668-9