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Uwe Steimle Uwe Steimle: Der Geruch des Westens und die Farbe Grau

Von Tatjana Schäfer 26.08.2012, 15:34
Der Kabarettist Uwe Steimle parodiert auf dem Ausstellungsgelände von «Damals die Renner» in Dahlen - Schmannewitz anlässlich des 100. Geburtstages Erich Honeckers (1912-1994) den ehemaligen Staatsratsvorsitzenden der DDR. (FOTO: DAPD)
Der Kabarettist Uwe Steimle parodiert auf dem Ausstellungsgelände von «Damals die Renner» in Dahlen - Schmannewitz anlässlich des 100. Geburtstages Erich Honeckers (1912-1994) den ehemaligen Staatsratsvorsitzenden der DDR. (FOTO: DAPD) dapd

Berlin/Dresden/dapd. - Für Uwe Steimle war der Westen in seiner Kindheit vor allem ein Geruch. „Das war so eine Mischung... Für mich roch der Westen nach Kaugummi, Persil, Kaffee und nach 'Irish Moos' - heute ein Armeleute-Parfüm, das es überall gibt“, erzählt der Kabarettist und Schauspieler im dapd-Gespräch. „Und diese Geruchsmischung, die gab es nur im Intershop. Ich bin ja manchmal nur deshalb dort reingegangen, um zu riechen.“ Für den 49-jährigen Dresdner sind solche Erlebnisse kostbar. „Es ist wichtig, dass man sich an diese Kleinigkeiten erinnert.“

Deshalb hat das Geruchserlebnis Eingang gefunden in Steimles neues Buch „Meine Oma, Marx & Jesus Christus - Aus dem Leben eines Ostalgikers“, das am Montag (27. August) erscheint. Der Wunsch, sich zu erinnern, war für Steimle, der den Fernsehzuschauern unter anderem durch seine langjährige Rolle als Schweriner Kommissar in der Krimireihe „Polizeiruf 110“ bekannt ist, eine wichtige Motivation für das Buch. „Für mich wäre es das Allerschönste, wenn viele aus meiner Generation sagen würden: 'Mensch, ja klar! Das hat es ja gegeben'“, sagt Steimle. Erinnerung sei etwas Wesentliches. „Wer nicht weiß, woher er kommt, kann auch nicht wissen, wohin die Reise geht“, ist er überzeugt.

Zwtl.: Erinnern ohne zu verklären

„Erinnern heißt aber nicht verklären“, stellt Steimle, von dem der Begriff „Ostalgie“ stammt, klar. „Ostalgie in meiner Definition bedeutet: Früher war's schöner und noch früher war's noch schöner“, sagt der Kabarettist, dessen Figur Günther Zieschong Einblicke in die ostdeutsche Seele ermöglicht und Kultstatus genießt. Die Haltung „in der DDR war manches nicht schlecht“ gehe ihm hingegen „tierisch auf die Nerven“.

Um ein reines Erinnerungsbuch handelt es sich jedoch nicht. Kurze Anekdoten aus Steimles Kindheit stehen neben Reflexionen über die deutsche Sprache, Gedanken über den Glauben an Gott wechseln sich ab mit der Beschreibung eines Gemäldes des wie Steimle aus Dresden-Alttrachau stammenden Malers Theodor Rosenhauer (1901 bis 1996). „Ich bin Sternzeichen Zwilling, und der Zwilling interessiert sich für vieles, getreu dem Goethe-Wort 'Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen“, sagt Steimle über die breit gefächerte Thematik. Er mache den Lesern Angebote, für jeden solle etwas dabei sein und seien es nur die als Vor- und Nachwort fungierenden Rezepte für sächsisches Backwerk, deren Lektüre allein appetitanregend wirkt.

Außerdem schreibe er am liebsten Bücher, die er selbst gerne lesen würde, und er habe halt eine Schwäche für kurze Geschichten. „Wenn ich im Bett liege, brauche die Gewissheit, dass ich getrost einschlafen kann, wenn ich eine Geschichte gelesen habe“, sagt Steimle. Deshalb habe er das Buch ursprünglich auch „Nachtschränkchenbuch“ nennen wollen.

Zwtl.: „Aus dem Osten kommt das Licht!“

Steimle wäre nicht der streitbare Geist, als der er bekannt ist, würde er in seinem Buch nicht auch auf eine „Besatzerkultur“ schimpfen, die der Westen dem Osten aufgedrückt habe und die sich beispielsweise in der Nachwendearchitektur niederschlage, wie sie etwa am Dresdner Postplatz zu besichtigen sei. In solchen Momenten zweifelt der Kabarettist an der bundesrepublikanischen Demokratie. „Ich hätte mir einen wirklichen Architekturwettbewerb gewünscht, bei dem auch die Bürger abstimmen dürfen.“

Ins Schwärmen gerät er hingegen, wenn es um den Maler Rosenhauer und dessen Fähigkeit geht, ein lebendiges, warmes Grau zu malen. „Diese Form des Graus imponiert mir sehr. Es hat etwas Tröstendes, und insofern auch etwas Religiöses“, sagt Steimle, der sich als gläubigen Menschen bezeichnet. Er hoffe auf eine Wiederentdeckung des Malers, von dem derzeit nur zwei Bilder in der Gemäldeausstellung des Dresdner Albertinums zu sehen sind. „Ich sage mal ganz direkt: Rosenhauer muss sich hinter Gerhard Richter nicht verstecken. Und interessant ist: Sie sind beide Dresdner!“, sagt Steimle und fügt hinzu: „Nicht umsonst steht auf der Rückseite des Buches: Aus dem Osten kommt das Licht!“