USA USA: War Judas der treueste Jünger von Jesus Christus?
Washington/Wuppertal/dpa. - Es handelt sich um ein Manuskriptaus dem 3./4. Jahrhundert nach Christus, das restauriert und aus demKoptischen übersetzt wurde, teilten Bibelwissenschaftler und dasMagazin «National Geographic» als Sponsor mit. Unter Theologenentbrannte sofort ein Streit über die Bedeutung des Dokuments.
Der TV-Sender National Geographic Channel strahlt an diesemSonntag eine zweistündige Spezialausgabe in 163 Ländern und in 27Sprachen aus. Im deutschsprachigen Raum ist die Sendung von 21.10 Uhrim National Geographic Channel (empfangbar über Kabel) zu sehen. DerText sei nach Einschätzung von Experten für das frühe Christentum dieaufregendste Entdeckung seit Jahrzehnten, teilte das Magazin mit.
Dem Manuskript zufolge bat Jesus seinen Jünger Judas, ihn an dieRömer auszuliefern, um Gottes Willen zu erfüllen. Durch diesenAuftrag erscheine der größte Schurke der Bibel in völlig neuem Licht,hieß es. Der Kodex - ein gebundener auf koptisch verfasster antikerText - wurde den Angaben zufolge in den 1970er Jahren in Ägyptenentdeckt und gelangte über Umwege zur Schweizer Maecenas-Stiftung.Die National Geographic Society unterstützte in den vergangenen fünfJahren die Restaurierung und Übersetzung des Dokuments aus demKoptischen. Alle wissenschaftlichen Tests hätten bisher die Echtheitdes Manuskripts bestätigt, das zwischen 220 und 340 n. Chr.entstanden sei, hieß es.
Den Texten des Neuen Testaments zufolge starb Jesus am Kreuz,nachdem der Apostel Judas ihn im Garten Gethsemane für 30 Silberlingean die römische Besatzungsmacht verraten hatte. Im «Judas-Evangelium»wird der Verrat zur Ruhmestat: Judas ist der Einzige, der dieBotschaft Jesu versteht. Er wird von Jesus in alle Geheimnisseeingeweiht und von ihm beauftragt, seinem Meister einen letztenDienst zu erweisen. Die mit der Übersetzung beauftragtenWissenschaftler interpretieren diese Aussage so, dass Judas Jesuszwar den Tod brachte, ihm damit aber einen letzten Gefallen erwies.
Nach Meinung des Augsburger Religionswissenschaftlers GregorWurst, der maßgeblich an der Restaurierung und Übersetzung desManuskripts beteiligt war, wollte der Verfasser des «Judas-Evangeliums» vor allen Dingen provozieren: «Er suchte dieHerausforderung mit anderen in der Diskussion um die, richtige Jesus-Überlieferung», schreibt Wurst im «National Geographic».
Der niederländische Kirchengeschichtler Hans van Oort (Nimwegen)sagte der Zeitung «Trouw» (Donnerstagausgabe), der Text seiauthentisch. Er belege, dass Jesus in Judas seinen besten Gefolgsmanngesehen habe. Auch das in der Bibel gebrauchte griechische Wort füraushändigen oder übergeben werde nur in Verbindung mit Judas immermit «verraten» übersetzt. «Wenn man das "Judas-Evangelium" liest,versteht man, dass dies nicht mehr aufrecht zu erhalten ist», sagteOort.
Der renommierte Bibelwissenschaftler Prof. Thomas Söding hält das«Judas-Evangelium» religionsgeschichtlich für interessant, aber nichtsensationell. «Der Text vermittelt uns keine neuen historischenEinsichten über den Apostel Judas oder den Kreuzestod Jesu», sagteder in Wuppertal lehrende Professor für Biblische Theologie, der auchMitglied der Päpstlichen Bibelkommission ist, am Donnerstag in einemdpa-Gespräch. Der Text zeige «eine Facette der Frömmigkeit im 3./4.Jahrhundert innerhalb der religiösen Bewegung der Gnosis».
Der Schwachpunkt sei die Fundgeschichte, meinte Söding. Es seinicht klar, woher das Dokument eigentlich ursprünglich stamme.Sollten die naturwissenschaftlichen Analysen stimmen und das Dokumenttatsächlich im 3./4 Jahrhundert entstanden sein, wäre es naheliegend, dass es sich um eine koptische Übersetzung des ursprünglichvermutlich in Griechisch verfassten «Judas-Evangeliums» handle. Überdieses habe bereits der Lyoner Bischof Irenäus um 180. n.Chr.berichtet. «Das Besondere wäre aber, dass jetzt der Text erstmalsvorläge.»