USA USA: Kurt Vonnegut ist tot

New York/dpa. - Jetzt ist Vonneguts Stunde gekommen. Derdeutschstämmige Amerikaner erlag am Mittwochabend (Ortszeit) in NewYork den Folgen einer bei einem Sturz erlittenen Hirnverletzung,berichtete die «New York Times» unter Berufung auf einen gutenFreund.
«Das allerletzte, was ich jemals wollte, war am Leben zu sein,wenn die drei mächtigsten Menschen auf dem Planeten Bush, Dick undColin heißen», begehrte der deutschstämmige Amerikaner in seinemletzten Buch von 2006 auf. Mit seinem Bestseller «Schlachthof 5»hatte Vonnegut schon in den 60er Jahren die Erinnerung an eines derdüstersten Kapitel in der Geschichte Amerikas wachgerufen.«Schlachthof 5» wurde zur Bibel der Vietnamkriegsgegner.
Kaum ein anderes Buch, von Salingers «Der Fänger im Roggen» undKerouacs «On the Road» einmal abgesehen, hat große Teile deramerikanischen Jugend derartig fasziniert. «Als ich Vonneguts'Slaughterhouse-Five' las», erinnert sich die Literaturkritikerin der«New York Times», Valerie Sayers, «kam es mir vor, als rutsche derBoden unter meinen Füßen weg.» Teilnehmer der Massenproteste gegenden Vietnamkrieg hatten die Taschenbuchausgabe bei sich. So mancherder Wehrdienstverweigerer, die damals noch schwer bestraft wurden,kannte ganze Passagen auswendig.
Dabei geht es in «Schlachthof 5» gar nicht um Vietnam. Vonnegut,der Ende 1944 als Infantrist der US Army in den Ardennen in deutscheGefangenschaft geriet, hat in dem Buch die Bombardierung derDresdener Zivilbevölkerung durch die amerikanische und die britischeLuftwaffe verarbeitet. Als Kriegsgefangener im Herkunftsland seinerVorfahren war er bei der Bergung der Leichen aus zerbombten Häuserneingesetzt. Was er in dem 1969 erschienen Werk schilderte, wurde alsBotschaft gegen jeden Krieg verstanden und auf den gerade in Vietnamtobenden angewandt.
Das allein erklärt nicht die Massenwirkung, die Vonnegut vor allemunter Studenten und halbwüchsigen Schülern erreichte. Was die Jugendneben seiner konsequent pazifistischen Haltung ansprach, war deraußergewöhnliche, an die Pop Art erinnernde Stil. Er findet sich inallen seiner 14 Romane wieder, vom Erstling «Das höllische System»(1951) über «Hokus Pokus» (1990) bis zu seinem erklärtermaßen letztenBuch «Zeitbeben» (1997).
Vonnegut hat immer wieder Zitate und halb ausgearbeitete Sätze,rein erzählerische Elemente, Dokumentenauszüge, Liedzeilen, harmlosewie geschmacklose Witze sowie viele Sex-Szenen gemischt - und dannmit seinem atemberaubenden Zynismus gewürzt.
Dank des Dresden-Buches, sagte er einmal, gehöre er zu denen, diean der Bombardierung der Stadt gut verdient hätten. Wenn man von135 000 Toten ausginge, müssten es wohl «fünf bis zehn Dollar proKopf» gewesen sein. Schockieren, um auf den alltäglichen Wahnsinnaufmerksam zu machen - diese Methode hat der Autor perfektioniert.Mit seinem eigentümlichen Stil wurde er zu einem Sonderfall derLiteratur.
Akademische Kritiker lobten Vonneguts Experimente alsbahnbrechend, dennoch erreichte er ein Massenpublikum, vor allemunter der Jugend. Wohl deshalb erschienen seine Werke - in Umkehrunggängiger Marktregeln - meist zunächst als Taschenbuch und erst danachals teure Leinenausgabe. Dabei ist der Schriftsteller so vielenirgendwie auf die Füße getreten.
Feministinnen zum Beispiel rümpften die Nase über Sätze wiediesen: «Keine schöne Frau kann die Erwartungen, die wegen ihresAussehens in sie gesetzt wurden, über einen annehmbaren Zeitraumhinweg rechtfertigen.» So richtig gehasst wurde er von Vertretern derNixon-Regierung, gegen deren Napalm-Krieg der Autor die akademischeJugend mit flammenden Reden aufstachelte.