USA USA: Der Fotograf der Großen, Schönen und Reichen ist tot

New York/dpa. - Über die Verdienste Richard Avedons sindsich Ausstellungsmacher und Kollegen weitgehend einig: Er hat dieModefotografie zur Kunst erhoben. Der amerikanische Star-Fotograf,der am Freitag im Alter von 81 Jahren in einem Krankenhaus im US-Staat Texas starb, war bis zuletzt mit der Kamera unterwegs. Für dasanspruchsvolle Magazin «The New Yorker» bebilderte er eine politischeReportage zum Thema Demokratie, als er am vergangenen Wochenende eineGehirnblutung erlitt.
Vor den Kameras Avedons posierten die Großen, die Schönen und dieReichen. Seine Bilder zeigen perfekte Models in perfekten Kleidern,aber auch eine traurige Marilyn Monroe, Andy Warhols Schusswunden,den Pianisten Vladimir Horowitz oder den spöttisch lächelnden TrumanCapote. Viele dieser Porträts sind zu tausendfach gedruckten Ikonengeworden. Längst gilt es unter den Berühmten als Auszeichnung, vorAvedons Objektiven gestanden zu haben. Zu seinen Markenzeichengehörte der weiße, leere Hintergrund seiner großformatigen Bilder.Nichts darauf lenkt vom Motiv ab.
Seit Jahrzehnten ist der Fotograf ebenso prominent wie seineMotive. Er wurde früh Mitglied der New Yorker Kulturszene und einFreund Andy Warhols, den er auch dann ablichtete, nachdem eineverrückte Verehrerin ihn lebensgefährlich verletzt hatte. Mit 17verließ Avedon die High School und ging zur US-Marine. Er bewarb sichdort aus «einer Laune» heraus und weil sein Vater ihm kurz zuvor eineRolleiflex-Kamera geschenkt hatte, bei der fotografischen Abteilung.Zwei Jahre lang fertigte er Passbilder.
Von 1945 bis 1965 wurde Avedon durch die Förderung von AlexeyBrodovitch, dem künstlerischen Direktor des Magazins «Harper'sBazaar», zu einem der berühmtesten Modefotografen der Welt. Späterging er für eine Millionen-Gage als erster Chef-Fotograf zumKonkurrenzblatt «Vogue». Als erster arbeitete er mit den Models, vondenen er schauspielerische Leistungen forderte, nicht im Studio,sondern auf der Straße: Dort inszenierte er «zufällige Momente».
Trotz seiner zahlreichen lukrativen Aufträge für Mode und Werbunghat Avedon stets auch künstlerisch gearbeitet. Viele Bilder zeigen inSchwarz-Weiß rußverschmierte Bergarbeiter, zerzauste Landstreicherund abgearbeitete Tagelöhner. Vor dem weißen Hintergrund präsentiertAvedon Vertreter der amerikanischen Arbeiterklasse, wie er sie aufÖlfeldern, Schlachthöfen oder in Büros traf. Die Abzüge sindschonungslos und detailgetreu. Sie enthüllen jede Pore und jedeFalte. Der Mensch ist darauf unmittelbar zu erkennen. Berühmt wurdenauch exklusive Bilder von Jackie Kennedy im Weißen Haus oder dieFotos seines todkranken Vaters.
Der Betrachter soll sich in jene Situation versetzt fühlen, inder die Fotos entstanden, sagt Avedon. Zuletzt in Deutschlanderschienen ist von ihm der Leporello-Band «Porträts». Derblutbeschmierte Klapperschlangen-Häuter Boyd Fortin ist darin ebensozu sehen wie Roy Lichtenstein. «So manchem Betrachter mögen AvedonsPorträts mit dem typischen weißen Hintergrund, ihrer durchdringendenKlarheit und dem erbarmungslosen Licht schwierig oder strengerscheinen», heißt es im Vorwort von Philippe de Montebello, demDirektor des New Yorker Metropolitan Museum of Art. Aber dieseWeigerung zu schmeicheln oder zu beschönigen zeichne Avedon als«rigorosen Naturalisten» aus.
Richard Avedon wurde am 15. Mai 1923 in New York City geboren.Sein Vater war als jüdisch-russischer Einwanderer in die USA gekommenund in einem New Yorker Waisenhaus aufgewachsen. Mit seiner zweitenFrau Evelyn Franklin hat der Fotograf einen Sohn John.