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Urzeit-Museum Geiseltalsee Urzeit-Museum Geiseltalsee: Waldelefanten sind geduldig

Von günter kowa 02.04.2014, 17:38
Entwurf des Ausstellungsraumes in Pfännerhall.
Entwurf des Ausstellungsraumes in Pfännerhall. Luckner Lizenz

braunsbedra/MZ - Seit im Juni 2003 die Flutung der ehemaligen Braunkohlegrube begann, kann man im Geiseltal „Wandel erleben“, wie es der Verbund etlicher kommunaler und privater Projektpartner verspricht. Und nun, da 1,2 Milliarden Tonnen Braunkohle sichtbar dem „größten künstlichen See Deutschlands“ gewichen sind, erlebt die Gegend tatsächlich eine rasante Entwicklung zum regionalen Freizeitparadies. Von drei Aussichtstürmen und dem 28 Kilometer langen Rundweg, wenn nicht gar vom Ballon, kann man überschauen, was entstanden ist, seit 2013 ein Großteil des Sees für Touristen freigegeben wurde: Boots- und Radverleih an der „Marina“ in Mücheln, ein Campingplatz, sogar ein Weinberg.

Und noch viel mehr ist in Vorbereitung. Man hört von Plänen für einen Yachthafen in Braunsbedra, von Stränden, Ferienhäusern, Pavillons, Begegnungsstätte - und seit langem auch von Pfännerhall. Diesen letzten Zeugen des Bergbaus, eine 1923 gebaute Werkstatthalle, haben Enthusiasten der Industriekultur dem Verwerter des Tagebauerbes, der LMBV, gerade noch entwunden, als schon der Abriss beschlossen war.

Das war in den 90ern, und so lange schon hat einer der Initiatoren, der mittlerweile in den Ruhestand versetzte Design-Professor der Hochschule Burg Giebichenstein, Peter Luckner, ein Ziel vor Augen: der Landschaft in ihrem Wandel etwas von ihren Ursprüngen zu bewahren.

Fund in der Grube

Ihn treibt die Erkenntnis, dass der Bergbau durch die Intervention der Archäologie das Tor zur Erdgeschichte aufgestoßen hat. Die versteinerten Überreste einer Tier- und Pflanzenwelt vor 200 000 Jahren, als nach dem Ende der „Saaleeiszeit“ schon einmal ein See, und darum herum eine Steppe entstand, haben in Halle ein ganzes Museum gefüllt. Noch kurz vor Ende des Tagebaus, im Herbst des Jahres 1994, hob Dietrich Mania den großartigsten Fund aus Jahrzehnten seiner Rettungsarchäologie in der Grube „Neumark Nord“, den „Waldelefanten“.

Weitere Jahre gingen ins Land, bis 2010 im Landesmuseum für Vorgeschichte das staunenswerte Panorama einer Tierwelt von urweltlich-afrikanischer Anmutung ausgebreitet werden konnte. Am See sammelten sich Auerochsen, Nashörner, Löwen – und jener Waldelefant mitsamt den Gerippen weiterer 70 Exemplare dieses Säugetiers, das seit dem Aussterben der Saurier das größte der Erde war. Wie groß, das war an einem „lebensechten“ Modell zu erkunden, dem vier Meter hohen Blickfang für zigtausend Besucher der Ausstellung in Halle und weiteren daran anschließenden Stationen.

Luckner schlug schon damals vor, dass dieses beeindruckende Artefakt seine Reise dort beenden sollte, wo seine lebendigen Artgenossen herstammten. Auch Landesarchäologe Harald Meller ließ sich auf den Vorschlag ein, obwohl Museen Angebote machten, das Modell zu kaufen. Vor fast genau einem Jahr aber ist es tatsächlich, in Einzelteile zerlegt, in Pfännerhall eingetroffen. Damit war die wichtigste Grundlage für das künftige, der Geiseltaler Urgeschichte gewidmete Besucherzentrum gelegt – doch immer noch scheint vielen Akteuren vor Ort nicht deutlich zu sein, dass das Projekt Freizeitparadies Geiseltalsee einzig mit dem Elefanten Strahlkraft über die Region hinaus entwickeln kann.

Vision von der Schaubühne

Bislang findet auch die Halle kaum mehr als regionale Verwendung. Der Förderverein vermietet sie für private Feiern, es gibt Räume für Schulprojekte. Die Bereitschaft eines örtlichen Unternehmers, der auch in touristische Vorhaben am See investiert, 50000 Euro Sponsorengeld zur Verfügung zu stellen, wurde bisher nur zögerlich von der öffentlichen Hand sekundiert. Weitere Mittel hat die Saalekreissparkasse in Aussicht gestellt. Aber ein Förderantrag beim Land wurde auf 30 000 Euro reduziert, ein Fünftel der angestrebten Summe. Immerhin hat dieser Antrag, heißt es beim Landesverwaltungsamt, „hohe Priorität“, man sei zuversichtlich, dass er bewilligt werde. Die Vision von der Waldelefanten-Schaubühne kann nun frühestens im September verwirklicht werden, sagt Luckner. Nicht nur verliert das Besucherzentrum somit eine weitere Saison, es muss sich auch auf eine Minimalversion beschränken. Der Raum wird im Rohzustand belassen, stattdessen das Licht auf den Elefanten gelenkt, der sich vor der Stirnwand der Halle erhebt, hinter Glas wie in einer raumhohen Vitrine und auf einer sich drehenden Scheibe.

Im Raum davor, auf etwa einem Drittel der Hallenfläche, werden in Wandvitrinen Originalknochen des Elefanten und Repliken anderer Fossilienfunde vom Geiseltal gezeigt, darunter auch das berühmte Urpferd. Auf Modellen wird die Landschaft zu betrachten sein, wie sie zu Lebzeiten der Tiere einst bestand, als sie zum Trinken und auch zum Sterben an den See kamen, fast genau an derselben Stelle, wo heute die Ruder- und Segelboote in der Sonne schaukeln. „Wir bauen einen Lernort“, sagt Luckner unverdrossen, aber Zukunftsmusik bleiben vorerst seine Pläne, den Waldelefanten zum Magneten eines Urzeit-Exploratoriums zu machen, wo man Nachbildungen der Geiseltalfauna und -flora in einer „Fossilienmanufaktur“ kaufen kann. Ob das Geiseltal jemals zur Ehre eines Hinweisschilds an der Autobahn kommen wird, ist Spekulation – doch wenn, dann nur mit dem Elefanten.

Waldelefanten-Modell
Waldelefanten-Modell
MZ Lizenz