Unterwegs von Schkona nach Halle Unterwegs von Schkona nach Halle: Humoristischer Roman von Konrad Potthoff

Halle (Saale) - Gevatter Tod ist ein sensenloser, aber sensibler Beobachter und hat auch im realen Sozialismus viel zu tun. Die Menschen interessieren ihn nicht sonderlich und der Himmel ist sowieso leer. Einen aber hat er besonders im Auge, begleitet ihn auf Schritt und Tritt, lässt ihn seine Nähe spüren.
Dieser eine wächst als Nachkriegskind im Staub der Karbidöfen von „Schkona“ auf und muss sich schon früh ein dickes Fell zulegen, denn in seiner Generation gibt es keinerlei „Welpenschutz“. Beim Kreideholen findet er seinen Schulhausmeister mitten beim Suizid. Später wird er aus erotischen Gründen Mitglied im Literaturzirkel und kann sich nach dem gesundheitlichen Ruin als studentischer FDJ-Bauleiter in den Status eines „Mittelklasse-Staatsschriftstellers“ retten. Es wird gemauschelt und gefeiert, konspiriert und kopuliert, dass die Fetzen fliegen. Aber selbst in der komfortabelsten Kulturnische wird es irgendwann auch bedrohlich.
Konrad Potthoff hat seinen Frieden mit sich selbst und der Welt von vor und nach 1989 gemacht. Mit seiner verschlüsselten Autobiografie hat der 67-jährige Hallenser einen opulenten Schelmenroman verfasst.
Dieser spielt in den hiesigen Kulissen des mitteldeutschen Chemiedreiecks und lässt sich auf vielerlei Weise lesen: als grotesken (Post)Sozialismus-Schwank, als satirische Abrechnung mit Hinz und Kunz oder als altersweise Nabelschau eines Geläuterten. So ziemlich alle bekommen dabei ihr Fett weg, einschließlich des Romanhelden Gottfried.
Der weiß sich nach seinem lebensgefährlichen Über-Engagement beim Bau des Studentenclubs „Turm“ elegant abzuducken. Sein Talent stellt er fortan nur noch als Verfasser von Schubladen-Manuskriptentwürfen unter Beweis, die prompt mit Stipendien gefördert werden.
In den Achtziger Jahren besteigt er am Wendepunkt seines DDR-Lebens den Ochsenberg zu Halle alias „Großglaucha“. Dort oben angekommen, sucht er vergebens nach dem Gipfelbuch. Statt dessen beschließt er in der dünnen Höhenluft, die ihn belastende Umarmung durch den „Sicherheitsverein“ trickreich zu beenden.
Wenn er sein Alter Ego „Gottfried“ all die Winkelzüge seines eigenen Lebens durchwandern lässt, hat der Autor spürbar etwas abzuarbeiten. Der Kunstgriff, den Tod zum Ich-Erzähler zu machen, verblasst darum unter der Last des Anekdotischen. Sehr unterhaltsam wiederum gelingt es Potthoff, die Grenzen zwischen den biografischen Versatzstücken und ihren aberwitzigen Übertreibungen zu vernebeln, so dass sich das alles auf einmal nur noch wie Seemannsgarn anfühlt. Auch die DDR war schließlich ein Land der unbegrenzten Möglichkeiten.
Konrad Potthoff: Gottfried schwängert den Tod. Salomo Publishing, Dresden, 470 Seiten, 15 Euro (mz)