1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Unterhaltung: Unterhaltung: Ein Bulle steht am Herd

Unterhaltung Unterhaltung: Ein Bulle steht am Herd

Von Ilka Hillger 24.08.2007, 18:42

Halle/MZ. - Seine "Ham'Se noch Hack-Tour" startet am 19. November. Monate vorher hat er sich München mit seinem Circus Krone als heißes Pflaster für den Testballon der Show ausgesucht. Am Morgen nach der Premierenfeier sitzt Mälzer geschafft, aber glücklich beim starken Espresso.

Alles haben die Bayern am Abend zuvor geschluckt. Nur unter Protest durfte der Hamburger Jung' eine geheiligte Weißwurst zur Currywurst braten, er lästerte über die Männer, schäkerte mit den Frauen und schickte kleine Frechheiten in den Saal. Dass man ihm all dies verzieh, lag nicht allein an den kastenweise ausgereichten Biergaben fürs Publikum. Ob nördlich oder südlich des Weißwurst-Äquators, Tim Mälzer wickelt das Publikum in seiner Fernsehsendung "Schmeckt nicht - gibt's nicht!" oder bei Live-Auftritten gleichermaßen mit Charme und mit seiner Kochkunst um den Finger.

In München tobt er zwischen Bühne und Parkett hin und her und vergisst schnell mal über der Kommunikation mit den Zuschauern den Herd. Na, dann ist eben das Röstaroma ein wenig stärker als beabsichtigt. "Richtig Spaß macht es, wenn es aus dem Ruder läuft", sagt Mälzer. Und weil er dann auch ganz schnell aus dem Ruder läuft und am Ende nicht mehr weiß, was er eigentlich sagen wollte, gibt es nur ein Mittel: Atmen. Immer wieder darf das Publikum ihm dieses Stichwort zurufen und Mälzer atmet. Tief ein und tief aus. "Ich brauche auch während der Show ein paar Inseln, wo ich mal Luft hole", bekennt der Koch und Entertainer.

Es gab Jahre, da war der junge Mann nicht so vernünftig. Inzwischen wird Mälzer nicht mehr so gerne auf sein Burn-out, seine kreative Schaffenspause Ende 2006 angesprochen. Irgendwie sei das wie ein Stigma, meinte er kürzlich. Dabei kam die Phase der Überarbeitung, wie er findet, genau zur richtigen Zeit. "Ich habe aus meinen Fehlern gelernt. Früher habe ich alles gleichzeitig gemacht, jetzt mache ich es nacheinander", so der 36-Jährige.

Nach Zeiten, in denen kein Herd im Fernsehen vor ihm sicher war, hat er das Jahr 2007 wie ein richtiger Küchenprofi geplant. Im Frühjahr begann er mit der Produktion seines dritten Kochbuchs, das im Herbst erscheint. Der Sommer gehörte den Vorbereitungen für "Born to Cook", der ersten Koch-Unterhaltungsshow im deutschen Fernsehen. Sie lief am Freitagabend erstmals bei Vox. Im Herbst folgt die Live-Show, die Mälzer bis Jahresende durch fast 30 Orte in Deutschland, Österreich und der Schweiz führt. Weil er inzwischen nicht nur gut kocht, sondern auch besser plant, passt bei Mälzer jetzt alles bestens unter die Kochmütze, auch seine beiden Hamburger Restaurants: "Das Weiße Haus" und die winzige "Oberhafenkantine", die Mutter Christa leitet. "Ich stand als Kind keinesfalls an Mutters Herd und habe die Familie bekocht", erzählt Mälzer, der 1971 in Elmshorn geboren wurde.

Eigentlich deutete in seiner Jugend kaum etwas darauf hin, dass aus dem Knaben ein deutsches Küchenwunder würde. Dem Abitur in Pinneberg folgte der Zivildienst im Kreiskrankenhaus, er jobbte beim Lack- und Lederausstatter "Easy Rider" auf dem Hamburger Kiez und endlich, mit 21 Jahren, trat er 1992 eine Ausbildung zum Koch im Hotel InterContinental an. Das Ziel damals: Hotelbesitzer. Doch Mälzer blieb auf der Etappe dorthin hängen, räumte schon in jungen Jahren bei Kochwettbewerben ab und ist seitdem der Küche und dem Herd treu. Nur seiner Heimat, der kehrte er zunächst den Rücken. In Hongkong und London schaute er in fremde Töpfe, lernte Nobelküchen wie im Ritz kennen und pflegte Freundschaften mit künftigen Stars wie dem Briten Jamie Oliver.

Zehn Jahre ist es her, da wurde das Heimweh für Tim Mälzer zu groß. Ausgerüstet mit einer gänzlich unkonventionellen Einstellung zum Kochen hatte ihn Hamburg wieder. Nach seiner ersten Küchenchefstelle im Café Fees wurde er 1998 Sous Chef (stellvertretender Küchenchef) in Christian Rachs "Tafelhaus", einer der besten Adressen Hamburgs. Weiteren Häusern, die er als Geschäftsführer und Küchenchef leitete, folgte 2002 schließlich die Eröffnung seines eigenen Restaurants "Das Weiße Haus".

Dann ging für Mälzer alles ziemlich schnell: Zum täglichen Fernseh-Format "Schmeckt nicht - gibt's nicht" auf Vox gesellten sich Gastauftritte in Johannes B. Kerners nächtlicher Koch-Show im ZDF. Und nun also folgt mit "Born to Cook" ein eigenes Unterhaltungsformat zur Freitagabend-Primetime.

Im Fernsehen wird es Tim Mälzer so halten wie auf der Bühne. Er holt sich Leute nach vorn an den Herd. Dort alleine zu stehen, ist er zwar gewohnt, aber sein Ding ist es nicht. Schon im Vorabendprogramm war Freundin Nina Heik deshalb seine Assistentin. In München sitzt sie bei der Probeshow zwar im Publikum, ist aber nach wie vor erste Ansprechpartnerin für den kochenden Freund. Sie grinst nur, wenn er meint, dass seine Kinder genauso sein müssten wie jene, die er sich gerade auf die Bühne geholt hat. Die Knirpse quetschen mit kleinen Händen Tomaten und veranstalten eine herrliche Sauerei, die so ganz nach Mälzers Geschmack ist. Denn: "Kochen muss Spaß machen". Das war und ist sein Credo. Wenn mal was schief geht, na und. Einfach weitermachen. "Ich bin selber einer dieser Köche, die Blödsinn erzählen", gesteht er. Aber: "Ihr glaubt es, ihr macht es, dann funktioniert es".

Hunderttausende halten sich daran. Wenn Kritiker unken, dass die Deutschen zwar wie im Wahn Kochbücher kaufen und Kochsendungen sehen, aber am Herd trotzdem rückständig sind, dann kann Tim Mälzer nur lachen. "Meinem Fischhändler muss ich vorher sagen, welchen Fisch ich in der Sendung koche, damit er extra viel bestellt. Die Leute gehen tatsächlich mit den Rezepten einkaufen. Ich krieg dieses Feedback." Den Hamburger Koch macht das durchaus stolz. Er sagt von sich "Mälzer ist die Hausfrau". Und damit stapelt er keinesfalls tief. Gutes Essen, schnell gekocht und nicht zu teuer - das ist seine Mission. Den Kollegen Johann Lafer - ein sehr guter Freund - darf er einen "Schmetterlingspräparator" nennen, wenn der wieder über göttlichen Desserts friemelt. "Ich hab' immer schon sehr grobmotorisch gekocht", lautet hingegen die Mälzersche Selbsteinschätzung.

Die großen Gesten, sein fröhliches Geplapper, der garantiert eintreffende Chaos-Faktor - all dies sind wohl die Dinge, die Mälzer so telegen und showtauglich machen. Dass der Koch auch in den großen Hallen eine große Nummer sein wird, davon ist nicht zuletzt Ingolf Lück überzeugt. Für Mälzer trat der Moderator und Comedian zurück und übernahm die Regie der Live-Show. Inzwischen sind die beiden Männer, die sich zuvor nur aus dem Fernsehen kannten, ein eingespieltes Team. Lück freilich sieht noch etwas mager aus und wird es trotz Kochshow auch bleiben. Auf die Tour schickt er seinen Star alleine. Nur in Wien wird er sich vielleicht sehen lassen und Tim Mälzer beruhigen. Die österreichischen Nachbarn bereiten dem Hamburger Sorge: "Die Fans von Sarah Wiener mögen mich ja überhaupt nicht. Umgedreht ist es aber genauso". Aber mögen muss man sich schließlich nicht unbedingt. Hauptsache, das Essen schmeckt. Dafür garantiert auch weiterhin der Küchenbulle Tim Mälzer.