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Ulla Hahn Ulla Hahn: «Liebesarten»

Von Carla S. Reissman 21.08.2006, 10:50
Die deutsche Schriftstellerin Ulla Hahn.Foto: dpa)
Die deutsche Schriftstellerin Ulla Hahn.Foto: dpa) dpa-Zentralbild

München/dpa. - Ulla Hahn liebt im Grunde ihres Herzens vor allemdie Natur. Und trotzdem hat sich die Lyrikerin und Roman-Autorin fürihren ersten Kurzgeschichtenband «Liebesarten» das ewig spannendeThema der Liebe zwischen Erwachsenen ausgesucht: Ihre 13 Geschichtenkreisen um die Liebe in all ihren Spielarten, Unarten undAusartungen. Dabei greift sie auf klassische Konstellationen zurück,denen sich aber oft einen raffinierten Dreh verpasst. Meisterhaftschlüpft sie dabei in die verschiedenen Personen, Alter, Geschlechterund gesellschaftlichen Hintergründe.

Da ist die geschiedene Frau, die verlangend nach dem elegantenMann der Nachbarin schielt («Zugspitze»), oder der Teenager, dertrotzig und ängstlich die drohende Scheidung der Eltern beäugt («Wennes ernst wird»), der Ehemann, der sich zwischen Frau und Geliebterentscheiden muss - mit fatalem Ausgang («In den Dünen»). Hahnbeschreibt die perfide Rache der verlassenen Ex-Ehefrau («Avonläutet») und die lebenslang unvergessliche Affäre der konservativenGattin («Rote Schuhe»).

Allerdings bleiben die Sehnsüchte und Begierden ihrerProtagonisten seltsam distanziert und skizzenhaft. Ulla Hahn liebtihre Figuren nicht, sondern lässt sie am Ende der Geschichtenmanchmal rat- und planlos zurück - und damit auch den Leser. Aha, dergut aussehende Mann der Nachbarin war eigentlich der Vater? DieEltern lassen sich gar nicht scheiden und telefonieren weiterheimlich? Warum vernichtet die Geliebte das sorgsam zubereitete,mehrgängige Fasanen-Menü («Fasan auf besondere Art»)? Man könnteargumentieren, dass die Liebe oftmals genau so zuschlägt:unerklärlich, unausweichlich und oft zerstörerisch.

Prominent, sehr lebendig und liebevoll eingesetzt sind dagegen dieNaturbeschreibungen in jeder einzelnen der Geschichten. Hahn setztsie wie als Ersatzhandlung für unausgesprochene Gefühle ein. DerHimmel steht «grauschwarz und wolkenschwer» für die innereZerrissenheit des untreuen Ehemanns. Der Mond tritt «aus den Wolkenund überspülte die Häuser gegenüber mit seinem toten Licht» - kalterNeid auf den attraktiven Mann der Nachbarin. «Über Wiesen paarensich Wind und Licht zu einer zärtlich fliehenden Bewegung» - dieerste Begegnung zwischen Liebenden. Die Lyrikerin in Hahn scheintüberall hindurch.

Unterhaltsam sind ihre Geschichten jedoch allemal, vor allem, wennHahn die Liebe eher unkonventionell anpackt. So beschreibt sie, wiedie einst abgewiesene tote Liebende in ihrem zweiten Leben als Mottewiederkommt und den alternden Körper des früheren Geliebten gnadenlosumkreist und begutachtet: «(...) in dreifachen Falten lag ihm dasKinn auf der Brust, die dünn von seinem Bauch, der sich über demMagen wölbte, abstach».

Dass Liebe auch zwischen sehr ungleichen Personen existieren kann,zeigt «Eine einfache Geschichte», in der eine von Skinheads in ihremStadtviertel gepeinigte allein stehende Frau «einfach nur redenwill». Der doppelt geschriebene Ausgang ist entweder realistisch oderidealistisch, je nachdem, welches Ende man wählt. Genau wie imrichtigen Leben.

Ulla Hahn: Liebesarten Deutsche Verlags-Anstalt, München 238 S., Euro 17,90 ISBN 3-421-05953-5