Venus im Pelz

Hamburg - Vor knapp drei Jahren präsentierten die deutschen Kinos Roman Polanskis neuesten Streich: die «Venus im Pelz» - ein Kammerspiel mit Mathieu Amalric und Polanskis Ehefrau Emmanuelle Seigner.
Das Interesse in den deutschen Kinos blieb übersichtlich. 500 000 Euro Umsatz schlugen zu Buche. Jetzt zeigt Arte an diesem Mittwoch um 20.15 Uhr die filmische Inszenierung des Theaterstücks, das auf einer Novelle von Leopold von Sacher-Masoch beruht, jenem Autor des 19. Jahrhunderts, der dem Masochismus seinen Namen gab.
Es ist das ewige Spiel von Macht und Unterwerfung, sexueller Dominanz, dem Kräftemessen der Geschlechter und dem Verschwimmen von Realität und Fiktion, das Polanski mit seiner Frau Emmanuelle Seigner in der Titelrolle auf die Leinwand bringt. Ebenso erotisch aufgeladen, mitunter sehr komisch inszeniert er diese Geschichte als dichtes Kammerspiel, das trotz ständig klingelnder Handys in einer eigenen Welt spielt.
Langsam nähert sich die Kamera an einem tristen, regnerischen Tag einem heruntergekommenen Theater in Paris. Es ist die Perspektive von Vanda (Seigner). Äußerlich arg derangiert und von einer fast bemitleidenswerten und zugleich polternden Hartnäckigkeit überzeugt sie den Regisseur Thomas (Amalric), dass sie doch noch für sein Stück «Venus im Pelz» vorsprechen darf. Thomas reagiert genervt, das Casting ist nämlich längst zu Ende.
Von der ersten Minuten an hat Vanda den Regisseur in der Hand, verblüfft ihn mit ihrer Textsicherheit, ihrem eindringlichen Spiel, ihrer peniblen Vorbereitung - selbst ein Kostüm hat sie mitgebracht. Sie wird zur Regisseurin des Castings, des Zwiegesprächs, demontiert den machohaften Thomas, wird zur Diva, zur Liebesgöttin, der sich niemand entziehen kann. Von der abgetakelten, erfolglosen Schauspielerin wird sie zur schönen, verführerischen Herrscherin.
Amalric, der frappierend an den jungen Polanski erinnert, spielt diesen Thomas, der für das Vorsprechen in die Rolle des Severin schlüpft. Der junge Mann lässt sich in dem Stück nach seinem Heiratsantrag an die Witwe Vanda auf eine Probezeit ein, in der er ihr als Liebessklave dienen soll. Mit lustvoller Selbstunterwerfung ergibt er sich der sadistischen Dominanz. Wann das Spiel auf der Bühne aufhört, die Interaktion zwischen Vanda und Thomas beginnt, ist nicht mehr auszumachen.
Thomas berichtet auch in der Rolle des Severin von seiner Lust, die er als kleiner Junge empfunden hat, als ihm seine mit einer Pelzstola bekleidete Tante mit Birkenstockschlägen züchtigte - es geht in dem Stück auch um Gewalt an Kindern. Thomas erzürnt sich: Sei denn heutzutage alles gleich Missbrauch?
Polanski soll vor mehr als 30 Jahren in den USA eine damals 13-Jährige sexuell missbraucht haben. Um einem Prozess in den USA zu entkommen, flüchtete er nach Paris. 2009 wurde er in der Schweiz verhaftet, und saß zwei Monate in Haft. Anschließend stand er acht Monate lang unter Hausarrest, bis die Schweiz 2010 das Auslieferungsgesuch der US-Justiz ablehnte. Ein Krakauer Gericht entschied 2015 ähnlich. Gegenwärtig beschäftigt sich die polnische Justiz erneut mit seinem Fall, um ihn möglicherweise wieder aufzurollen.
Jenseits aller persönlichen Deutungen und Anspielungen ist «Venus im Pelz» vor allem ein kluges und sehr unterhaltsames Kammerspiel über den Geschlechterkampf, den die Frau eindeutig für sich entscheidet - meisterhaft gespielt von Seigner und Amalric. (dpa)