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Unter Verdacht - Verschlusssache

11.01.2018, 23:01
Eva-Maria Prohacek (Senta Berger) spürt im Verhör, dass Max Wemmer (Ulrich Noethen) aus purer Verzweiflung gehandelt hat. Foto: Marco Nagel/ZDF/ARTE
Eva-Maria Prohacek (Senta Berger) spürt im Verhör, dass Max Wemmer (Ulrich Noethen) aus purer Verzweiflung gehandelt hat. Foto: Marco Nagel/ZDF/ARTE ZDF/ARTE/dpa

Berlin - Soldaten erproben bei einem Manöver eine neue Munition. Dabei läuft ein junger Kamerad plötzlich mitten ins Feuer und wird lebensgefährlich verletzt.

Die Bundeswehr spricht von einem tragischen Unfall, doch sein Vater mag nicht daran glauben. Darum geht es in dem Kriminalfilm „Unter Verdacht - Verschlusssache”, der an diesem Freitag (20.15 Uhr) auf Arte zu sehen ist.

„Mein Sohn ist Opfer von Lügen der Bundeswehr” - dieses Schild trägt Max Wemmer (Ulrich Noethen), der Vater des nunmehr im Koma liegenden Thorsten (Bruno Sauter), vor einer Münchner Kaserne der Bundeswehr - und eine Deutschlandfahne zündet er auch noch an. Wegen „Verunglimpfung von Hoheitszeichen” landet er zum Verhör im Kommissariat, wo ihn der eigentlich im Urlaub befindliche Herr Dr. Reiter (Gerd Anthoff) in die Mangel nimmt.

„Ihr Kollege ist ein ziemliches Arschloch”, wird Herr Wemmer danach zu Frau Dr. Eva Prohacek (Senta Berger) sagen. Reiters Kollegin lächelt fein und antwortet: „Dazu gibt es verschiedene Meinungen”. Sie fragt dann aber auch, ob Wemmer denn „gedient” habe, und der hat selbstverständlich den Wehrdienst verweigert, zu einer Zeit, als es noch nicht selbstverständlich war. Herr Reiter indes hat noch nie etwas mit dem Militärischen Abwehrdienst (MAD) zu tun gehabt und weiß angeblich auch gar nicht, was der so macht. Kollege Langner (Rudolf Krause) hingegen schon: „Waterboarding”.

Das Lachen bleibt einem jedoch im Halse stecken, denn es geht um scharfe Munition. Anspielungen auf die Realität sind klar erkennbar: Ein Artilleriegeschoss mit dem Namen „SMArt 155” gibt es tatsächlich, ebenso wie eine „Gesellschaft für intelligente Wirksysteme”. Streumunition (die alles durchsiebt) ist hierzulande offiziell verboten; Investitionen von Firmen in ausländische Hersteller sind jedoch erlaubt. Es geht hier um Waffen, deren Herstellung niemals hätte genehmigt werden dürfen. Insofern ist es ein sehr brisantes Thema, bei dem es um unterschiedliche, teils verharmlosende Waffenbezeichnungen und Verstrickungen der Waffenhersteller und Lobbyisten geht, die für den Zuschauer nur schwer zu durchschauen sind.

Was deutlich gezeigt wird, ist der Zynismus von Vorgesetzten in den Behörden, in den Chefetagen von Firmen und bei Partys mit Champagner und Hummer, wo es nur ums lukrative Geschäft geht. Deutlich werden auch der Druck von oben und die Gewissensnöte, denen Soldaten ausgesetzt sein können. Hier soll eine menschlich zutiefst tragische Geschichte unter Verschluss gehalten werden, die angeblich die Sicherheit des Staates gefährdet. Die Militärbehörden gehen sogar so weit, dem um sein Leben ringenden jungen Mann zu unterstellen, dass er Selbstmord begehen wollte, weil er seelisch instabil sei.

Der Film ist außerordentlich berührend und spannend, bis in die kleinen Rollen - vor allem Johannes Zirner als verantwortlicher Oberst sei hier genannt - hervorragend besetzt und thematisiert nicht nur den Waffenwahn, sondern auch die Frage, ob ein Dienst an der Waffe überhaupt sinnvoll ist. Zugleich schildert er glaubhaft die Verzweiflung eines Vaters, der nahezu völlig allein dasteht, seine Stellung als Beamter riskiert und vergeblich gegen die Mühlen eines zu großen Gegners kämpft, der nur mauert. Wie dieser Mann um seinen Sohn und die Aufklärung dieses Falles kämpft und darüber zunehmend verzweifelt, wird von Ulrich Noethen großartig gespielt. (dpa)