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«Unter Verdacht»: Senta Berger fällt der Abschied schwer

22.04.2016, 06:27
Senta Berger schickt Eva Prohacek in Rente. Foto: Andreas Gebert
Senta Berger schickt Eva Prohacek in Rente. Foto: Andreas Gebert dpa

München - Seit fast 15 Jahren steht Senta Berger (74) als Eva Prohacek in der ZDF-Krimireihe «Unter Verdacht» vor der Kamera. Doch jetzt sind ihre Tage als TV-Ermittlerin gezählt. Voraussichtlich noch drei Episoden sollen gedreht werden, dann ist Schluss.

Die Vorstellung mache sie heute schon traurig - aber sie müsse einfach streng zu sich sein, sagt Berger im Interview der Deutschen Presse-Agentur in München. Darin spricht sie auch über die aktuelle Episode der Krimiserie, in der «die Eva» sich mit prügelnden Ehemännern und voreingenommenen Richtern auseinandersetzen muss.

Frage: Die neue Episode ist ein harter Film geworden - welchen Stellenwert hat sie für Sie? Antwort: Wir haben zwei Themen aufgegriffen, die unsere Gesellschaft betreffen und bewegen. Das eine sind die immer noch möglichen Misshandlungen von Frauen durch ihre Lebenspartner und ihre Wehrlosigkeit. Das andere Thema stellt die Frage: Was passiert eigentlich mit unseren neutralen, unvoreingenommenen, gerechten Richtern? Wer kontrolliert die Bundesanwaltschaft? Das war ja auch Thema im Fall Gustl Mollath. Natürlich ist unser Film ein Krimi und kein Dokumentarfilm, aber er beleuchtet auf spannende Weise ein Thema, das uns immer wieder beschäftigt. Frage: Wie wichtig sind aktuelle Bezüge für die «Unter Verdacht»-Filme?

Antwort: Das ist eben das Besondere an der Reihe «Unter Verdacht». Wir nehmen oft Themen vorweg, die zwar schon als Sachlage da sind, aber von der Öffentlichkeit noch nicht wirklich wahrgenommen werden. Zu den «Panama Papers» haben wir schon vor drei Jahren eine Geschichte erzählt, die sich nun haargenau so bewahrheitet hat. Im vergangenen Jahr haben wir einen Zweiteiler gedreht, in dem es um islamistische Terroristen geht, die sich unter die Flüchtlinge gemischt haben und nun ein Bombenattentat planen und durchführen - auf dem Oktoberfest. Natürlich geht es in unserer Geschichte auch um die Rolle des Verfassungsschutzes und die Ohnmacht der Prohacek. Spannend ist dabei das Zusammenprallen der Meinungen zwischen ihr und ihrem Chef Dr. Reiter. An den beiden zeigen sich die Stimmungen, die Gefühle vieler Deutscher, die hin- und hergerissen sind zwischen Moral und Bequemlichkeit, dem Mit-und Pflichtgefühl, bedürftigen Menschen zu helfen, und den Bedenken, was aus dem eigenen Wohlstand wird.

Frage: Kennen Sie diesen Zwiespalt zwischen dem eigenen moralischen Anspruch und der Bequemlichkeit, die daran hindert, ihm gerecht zu werden?

Antwort: Nein, ich war noch nie auf Bequemlichkeit aus. Ich bin für Vernunft. Die Menschen, die zu uns kommen, müssen sich an unsere Gesetze halten. Das ist der erste Schritt zur Integration. Das hat nichts mit Religion zu tun. Michel, mein Mann, und ich, sind tolerante Alt-68er, außerdem sind wir Kriegskinder. Ich war im Krieg verschüttet, mein Mann saß im Bombenkeller. Wir wissen, wie das in Aleppo ist. Meine Kinder wissen das nicht. Dennoch denke ich, dass die Integration erst in der zweiten, dritten Generation überhaupt möglich sein wird. Vielleicht wird es dann auch einen aufgeklärten Islam geben.

Frage: Welche Rolle spielt die Serie «Unter Verdacht» für Sie persönlich? Begleitet die Prohacek Sie manchmal im Alltag? Antwort: Ich gehöre nicht zu den Schauspielern, die ihre Rollen nicht ablegen können. Dazu waren immer auch schon die Herausforderungen unseres Familienlebens mit dem ganz gewöhnlichen Wahnsinn zu groß. Aber sie ist mir schon nahe, die Eva. Und wenn ich arbeite, dann denke ich natürlich an manchen Szenen herum und wie ich die Eva darin führen möchte. «Unter Verdacht» hat sich von Anfang an durch eine große Ernsthaftigkeit ausgezeichnet. Es gibt keine romantischen Nebenhandlungen oder Ähnliches und das finde ich gut. Wir behalten eine strenge Form bei. Durch die Jahre ist uns ein interessiertes Publikum zugewachsen. Wir hatten schon sehr gute und mal weniger gute Quote, aber das ZDF und unsere Redakteurin lassen sich davon - wie auch immer - nicht irritieren. Von Anfang an hatte ich immer großartige Schauspieler an meiner Seite. Engagiert, inspirierend - eine große Freude. Frage: Sie sprechen in der Vergangenheit... Antwort: Ja. Wir werden in diesem Jahr noch zwei Folgen drehen und wahrscheinlich noch eine im nächsten Jahr. Aber dann geht die Prohacek in Rente.

Frage: Warum denn?

Antwort: Als Schauspielerin muss man streng mit sich selbst sein. Eigentlich immer, aber besonders im Alter: Welche Rolle kann ich noch glaubwürdig verkörpern? Die Prohacek ist eine Beamtin und eine Beamtin geht natürlich in Rente. Ich möchte nicht, dass mir das Publikum vorwirft, dass ich es noch nicht bin. Der Abschied wird mir sehr schwer fallen. Ich bin jetzt schon traurig, wenn ich daran denke. Unser Team ist so zusammen gewachsen. Wir vertrauen uns und haben so viel miteinander erlebt. Bei den kältesten Nächten auf der Autobahn sind alle noch einigermaßen vergnügt. Das ist sehr wunderbar. Frage: Das Vorhaben, in Rente zu gehen, bezieht sich aber nur auf die Rolle der Prohacek, oder? Antwort: Künstler gehen ja eigentlich nicht in Rente. Natürlich hört man immer wieder, dass diese Tournee oder jene Arbeit die unwiderruflich letzte ist - aber dann kommt doch Nana Mouskouri ein aller-allerletztes Mal auf die Bühne zurück. Ich denke, nichts bleibt, wie es war, nichts bleibt, wie es ist. Ich spiele keine schönen, jungen Liebhaberinnen mehr - schon lange nicht mehr - und ich werde in einigen Jahren etwas anderes spielen, als ich heute spiele - wenn ich Lust zum Spielen habe. Der Beruf zieht sich in unserem Alter natürlich langsam zurück. Aber ich bleibe in unsere Filmfirma, die Sentana-Filmproduktion, eingebunden. Die Firma wird jetzt Zug um Zug von meinen Söhnen übernommen und es ist aufregend, mit ihnen über Ideen und Entwicklungen zu diskutieren.

ZUR PERSON: Die gebürtige Österreicherin Senta Berger gehört seit Jahrzehnten zu den bekanntesten Schauspielerinnen in Deutschland und stand mit Hollywood-Stars wie Kirk Douglas vor der Kamera. Sie ist mit dem Regisseur Michael Verhoeven verheiratet, mit dem sie zwei Söhne hat, die beide ebenfalls im Filmgeschäft tätig sind. Simon Verhoeven wurde als Regisseur mit «Männerherzen» bekannt. (dpa)