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Tatort-Kritik Tatort-Kritik: Die Polizisten in "Wehrlos" verhielten sich wie Schwerverbrecher

Von Anne Burgmer 23.04.2017, 19:55
In dieser Folge stand Kommissarin Bibi Fellner im Mittelpunkt des Geschehens.
In dieser Folge stand Kommissarin Bibi Fellner im Mittelpunkt des Geschehens. ARD Degeto/Programmplanung und P

Der Fall

Im neuen „Tatort“ gingen Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und seine Kollegin Bibi Fellner (Adele Neuhauser) die meiste Zeit getrennte Wege. Fellner wurde zur kommissarischen Leiterin der Polizeischule ernannt, nachdem deren Leiter erschossen in seinem Haus aufgefunden worden. Was erst nach einer Ehetragödie mit Totschlag und Selbsttötung  aussah – die Ehefrau lag mit gebrochenem Genick im Schlafzimmer – warf dann doch viele Fragen auf. Deshalb sollte Bibi Fellner am Arbeitsplatz des Toten nach Spuren suchen. Dort verbreitete der sadistische Ausbilder Thomas Nowak (Simon Hatzl) Angst und Schrecken. Und er begann auch gleich, seiner neuen Chefin das Leben zur Hölle zu machen. So verteilte er das ausgedruckte Profil von einer Singlebörse, bei der sich Bibi mit ihrem echten Namen angemeldet hatte, in der Polizeischule. Und er legte der trockenen Alkoholikerin Schnapsflaschen ins Handschuhfach des Autos.

Die Auflösung

Dass jemand, der mit solch perfiden Mitteln arbeitet wie Thomas Nowak, etwas zu verbergen hat, war früh klar. Der Ausbilder hatte mit dem ermordeten Leiter der Polizeischule Schüler systematisch ausgenutzt und sexuell missbraucht. Als der stets vorbildliche Polizist Stefan Pohl (Alexander Strobele) durch einen Zufall erfuhr, dass diese Erniedrigungen seinen Sohn in den Selbstmord getrieben hatte, erschoss er seinen Kollegen. Polizeischülerin Katja Humbold (Julia Franz Richter) rächte sich an Nowak, erschoss ihn und nahm sich anschließend das Leben.

Die Kommissare

Obwohl „Wehrlos“ (Regie: Christopher Schier, Buch: Uli Brée) der 40. Fall für Moritz Eisner war, stand dieses Mal Bibi Fellner im Mittelpunkt des Geschehens. Sie war einsam, litt darunter, dass Moritz frisch verliebt war und stritt leidenschaftlich mit ihrem Kollegen und guten Freund. Und auch der Fall, in dem es um Mobbing und Machtmissbrauch ging, machte ihr zu schaffen. Adele Neuhauser spielte Bibi Fellner mit so vielen Facetten – von verletzt, einsam und verunsichert bis wütend, mutig und kämpferisch -, dass es eine Freude war, ihr dabei zuzuschauen. 

Fazit

In „Wehrlos“ waren die Rollen vertauscht. Die Opfer waren die Bösen, die Täter hatten nachvollziehbare Motive. Polizisten benahmen sich wie gewissenlose Schwerverbrecher, Kriminelle wie Inkasso-Heinzi oder das Hehler-Pärchen „die depperte Bonnie“ und der „süße Clyde“ wirkten dagegen wie harmlose Kaugummi-Diebe. Wie realistisch es ist, dass keiner der unterdrückten Schüler aufbegehrte und die Vorgesetzten meldete, ist fraglich. Aber der Druck, der auf ihnen lastete, wurde anschaulich geschildert. Ein düsterer „Tatort“, der auch aufgrund der vielen Nachtaufnahmen von Kameramann Thomas Kiennast beim Zuschauer nicht gerade für gute Laune sorgte. In Erinnerung bleibt besonders die wunderbare Adele Neuhauser.