1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. TV & Streaming
  6. >
  7. Tatort-Kritik: Tatort-Kritik "Das verschwundene Kind": Exzellent gespielter Tatort mit erster schwarzer Kommissarin

Tatort-Kritik Tatort-Kritik "Das verschwundene Kind": Exzellent gespielter Tatort mit erster schwarzer Kommissarin

Von Rebecca Jungbluth 03.02.2019, 20:46
Maria Furtwängler (l.) und Florence Kasumba
Maria Furtwängler (l.) und Florence Kasumba picture alliance/dpa

Der Fall

In der alten, unbenutzten Umkleide einer Schulturnhalle hat eine Frau ein Kind bekommen. Wände und Boden sind blutverschmiert, aber von der Mutter und dem Neugeborenen fehlt jede Spur. In einem verstopften Klo findet Kriminalhauptkommissarin Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) nur die Plazenta mit der abgerissenen Nabelschnur. Ein Verbrechen ist nicht auszuschließen. Lindholm, die ins beschauliche Göttingen strafversetzt wurde, und ihre neue Kollegin Anaïs Schmitz (Florence Kasumba) machen sich auf die Suche.


Was die Ermittlerinnen (noch) nicht wissen: Die Mutter ist die 15-jährige Schülerin Julija Petkow (Lilly Barshy). Nachdem die Wehen eingesetzt haben, ist sie aus ihrem Zuhause in die Turnhalle geflüchtet. Von dort hat sie ihren Bruder Nino (Emilio Sakraya) angerufen. Als dieser die Turnhalle erreicht hat, hatte Julija bereits entbunden und hat vor dem Gebäude in einem Gebüsch versteckt gelegen.


Unklar ist, wie Julija in das Gebüsch gekommen ist. Wo ist das Baby? Wer ist der Vater des Kindes? Und wem gehört der auffällige Ring, den die Spurensicherung am Tatort gefunden hat?

Die Auflösung

Ninos Muay-Thai-Trainer Ralf Schmölke (Oliver Stokowski) hat Julija nach einem Fest im Dojo vergewaltigt. Das Bild, das Julijas kleine Schwester Polly für das Team gemalt hat, bringt die Ermittlerinnen auf Schmölkes Spur. Durch das traumatische Erlebnis hat Julija alle Anzeichen der Schwangerschaft verdrängt. Als sie Nino nicht erreichen kann, ruft sie Schmölke an. Dieser steckt das Kind in eine Plastiktüte und wirft es in einen Müllcontainer. Da ist das Baby aber schon tot. In ihrer Verzweiflung hatte Julija den schreienden Säugling so fest an sich gedrückt, dass sie ihn dadurch erstickt hat.

Die Neue

Durch ihre Zwangsversetzung nach Göttingen muss sich Lindholm in einem neuen Team zurechtfinden. Das passt ihr gar nicht. Sie macht schnell klar, dass sie nicht teamfähig ist und daher am liebsten alleine arbeitet. Doch mit Anaïs Schmitz tritt eine ebenso eigensinnige wie kluge Ermittlerin an Lindholms Seite. Schmitz ist keine aalglatte, immer freundlich lächelnde Frau, sondern eine knallharte Ermittlerin mit einem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Besonders ihr Temperament und ihre schwer zu kontrollierenden Aggressionsausbrüche machen sie unberechenbar.

Die in Uganda geborene Schauspielerin Florence Kasumba ist die erste schwarze „Tatort“-Kommissarin. „Nicht auszuschließen, dass Alexander Gauland und Konsorten sie nicht als Nachbarin haben wollen, nicht auszuschließen, dass auch Kritiker den Film erstmal im Hinblick auf die Hautfarbe betrachten – wir wünschen uns, dass dies schnell mit großer Selbstverständlichkeit akzeptiert wird und keiner besonderen Erwähnung mehr wert ist.“, meint dazu Christian Granderath vom NDR. Im Film selber wird Schmitz‘ Hautfarbe kurz thematisiert, doch die Klärung des Falls ist viel interessanter.

Fazit

Es ist befremdlich, dass in diesem „Tatort“ in Göttingen die Mücken schwirren und die Sommersonne vom Himmel knallt, während wir momentan stellenweise im Schnee versinken. Das Drehbuch zu „Das verschwundene Kind“ stammt aus der Feder von Franziska Buch, Jan Braren und Stefan Dähnert. Hier haben sich drei Autoren zusammengefunden, bei denen am Film zu sehen ist, dass sie ihr Handwerk beherrschen. Alles ist stimmig, keine verwirrende Szenenfolge, keine hölzernen Dialoge.

Buch hat ebenfalls die Regie übernommen und so einen fesselnden Krimi geschaffen, der von dem großartigen Team Lindholm und Schmitz getragen wird. Trotz anfänglicher Antipathie und unterschiedlichen Arbeitsweisen ergänzen sich die beiden Frauen hervorragend.

Merken sie doch auch, dass die Suche nach dem verschwundenen Säugling ihnen beiden nahe geht. Alles in allem ist „Das verschwundene Kind“ ein sowohl spannender als auch exzellent gespielter „Tatort“.