"Tatort"-Kritik "Tatort"-Kritik "Auf einen Schlag": Figuren aus der Schlagerwelt die wie Abziehbilder wirken

Derzeit ist der „Tatort“ in der Sommerpause. Die Erstausstrahlung der Folge „Auf einen Schlag“ war im März 2016. Wir veröffentlichen daher unseren Text aus dieser Zeit erneut.
Der Fall
Toni Derlinger vom Schlager-Gesangsduo „Toni & Tina“ liegt erschlagen in den Kulissen der Show „Hier spielt die Musik“. Die beiden Dresdner Kommissarinnen Henni Sieland (Alwara Höfels) und Karin Gorniak (Karin Hanczewski) werfen in ihrem ersten Fall gemeinsam mit Polizeianwärterin Maria Magdalena Mohr (Jella Haase) und ihrem Chef Michael Schnabel (Martin Brambach) einen Blick hinter die heile Welt der Schlagerszene – und dort tun sich einige Abgründe auf.
Die Lösung
Der einsame Manager, auf den zunächst alles deutete, war es dann doch nicht. Stattdessen hatte die betrogene Ehefrau eine andere Vorstellung als ihr Mann, in welche Richtung sich ihre Karriere entwickeln sollte. Sie wollte zu Maik Pschorrek (Andreas Guenther) wechseln und als Solokünstlerin neue Erfolge feiern. Da störte ein Ehemann, der zudem kurz davor war, seine Homosexualität öffentlich zu machen, nur.
Und es gab noch ein zweites Opfer: Die junge Polizeianwärterin Maria Mohr wurde von den Volks-Rock’n’Rollern Herzensbrecher zu Tode geprügelt, weil sie herausgefunden hatte, dass ihr Kollege eine Affäre mit Toni Derlinger gehabt hatte.
Die Ermittler
Die Macher des „Tatort“ haben ein starkes Ensemble zusammengestellt. Karin Hanczewski, Alwara Höfels und vor allem Martin Brambach sind gute Schauspieler, doch ihr Problem ist, dass Drehbuchautor Ralf Husmann („Stromberg“) in diesem ersten Fall aus Dresden einfach zu viel wollte. Husmann ist eigentlich ein Meister des gehobenen Humors und der gelungenen Dialoge, hat es in „Auf einen Schlag“ aber schlicht übertrieben.
Es ist gut und richtig, dass nun endlich auch mal ein reines Frauenteam im „Tatort“ ermittelt. Aber muss man das dann auch noch ständig erwähnen? Zudem sind Husmann die Charaktere viel zu schablonenhaft geraten. Die beiden Kommissarinnen wirken verkrampft, die junge Polizistin ist naiv-lieb, der Chef technikfeindlich-altmodisch, die Schlagersänger sind sowieso alle verlogen, der Manager ist geldgeil und schmierig. Schlimmstes Beispiel für lebende Klischees ist jedoch der sächselnde, leicht debile Schlagerfan. So entstehen keine glaubhaften Figuren.
Fazit
Es ist schon merkwürdig, dass in Zeiten, in denen Sachsen wegen Übergriffen auf Flüchtlinge in den Schlagzeilen ist, der erste „Tatort“ aus Dresden ausgerechnet mit einer Geschichte aus der Schlagerwelt daherkommt. Aber solche Filme haben einen langen Vorlauf, da kann man Drehbuchautor Ralf Husmann („Stromberg“) keinen Vorwurf machen. Und es muss ja auch nicht immer staatstragend-ernst im „Tatort“ zugehen. Immerhin kommt das erfolgreichste Team der Reihe aus Münster und mit der Realität haben deren Fälle meist gar nichts zu tun.
Vorwürfe muss man Husmann dennoch machen. Er hat für „Auf einen Schlag“ (Regie: Richard Huber) Figuren geschaffen, die wie Abziehbilder wirken und an denen sich die eigentlich guten Schauspieler vergeblich abarbeiten. Und die Geschichte von der verlogenen Schlagerszene ist ebenfalls weder neu noch originell. Außerdem hat er den richtigen Ton und das richtige Tempo noch nicht gefunden. Erst kommt alles lustig-leicht daher, plötzlich liegt die Assistentin erschlagen in einer Blutlache. Das soll dem Fall wahrscheinlich eine gewisse Ernsthaftigkeit verleihen, doch auch wenn der Bruch gewollt ist, wirkt er deplatziert.
Sehr überzeugend sind Husmann allerdings die Schlagertexte gelungen, zu denen Francesco Wilking und Patrick Reising die Musik gemacht haben. Der Hit „Mein Sachsen“ klingt genau, wie solche Schlager eben klingen und bleibt lange im Ohr und Zeilen wie „Wer braucht New York, wenn er auch Zwickau haben kann. Wer je in Dresden war, muss nicht nach Amsterdam“ sind von zeitloser Schönheit.
Der Auftakt für das erste Frauenduo der „Tatort“-Geschichte konnte zwar noch nicht überzeugen, Hoffnung macht jedoch, dass sowohl die Figuren als auch der Erzählton durchaus Potential haben. Es ist noch nichts verloren in Dresden.