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"Tatort"-Vorschau Tatort Der rote Schatten von Dominik Graf

Von Anne Burgmer 15.10.2017, 10:15
Thorsten Lammert (Richy Müller) ermittelt in der Kneipe Schwertfisch.
Thorsten Lammert (Richy Müller) ermittelt in der Kneipe Schwertfisch. SWR-Presse/Bildkommunikation

Die Bilder haben sich ins Gedächtnis der Deutschen gebrannt. Rudi Dutschke, der mit erhobener Faust am Grab von Holger Meins „Der Kampf geht weiter!“ ruft. Ein entkräfteter Hanns Martin Schleyer, die entführte Lufthansa-Maschine Landshut. Es sind historische Aufnahmen, die fast jeder kennt.

Doch dann sind da auf einmal Bilder, die zwar in der gleichen Super-8-Ästhetik gedreht sind, aber völlig Unbekanntes zeigen. Männer, die die Zellen von Andreas Baader, Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin und Irmgard Möller in Stuttgart-Stammheim stürmen, Raspe und Baader erschießen, Ensslin mit einem Kabel erhängen und Möller ein Messer in den Körper rammen. Ihre scheinbare Echtheit lässt die Aufnahmen, die am Sonntagabend im neuen Stuttgarter „Tatort“ zu sehen sein werden, so verstörend wirken.

Selbstmorde von Stammheim wurden nie endgültig bestätigt

Dominik Graf hat sie gedreht. „Der Rote Schatten“ heißt sein Film und in der Tat ist der Schatten des RAF-Terrors und des Deutschen Herbstes vor genau 40 Jahren lang und reicht bis in die Gegenwart. Denn die Frage, was genau in jeder Oktobernacht in Stammheim passierte, ist bis heute nicht abschließend geklärt. Wie kamen die Waffen ins Gefängnis? Und war es tatsächlich Selbstmord oder gar eine staatlich angeordnete Hinrichtung, wie es etwa die überlebende Irmgard Möller immer behauptete?

Rund um diesen nicht abschließend aufgeklärten Teil der deutschen Geschichte erzählt Graf seinen fiktiven Kriminalfall. Marianne Heider ertrank angeblich bei einem Unfall in der Badewanne. Doch ihr Exmann ist sicher, dass sie von ihrem aktuellen Partner Wilhelm Jordan (Hannes Jaenicke) ermordet wurde. Als Heider die Leiche entführt, um sie im Ausland obduzieren zu lassen, hat er einen Autounfall.

Viel Raum für Spekulationen

Die Stuttgarter Ermittler Lannert (Richy Müller) und Bootz (Felix Klare) sind ebenfalls skeptisch, was die Unfalltheorie angeht, zumal der Oberstaatsanwalt den Fall erstaunlich schnell zu den Akten legen wollte. Es stellt sich heraus, dass Wilhelm Jordan in den 70er Jahren als V-Mann für den Verfassungsschutz gegen die RAF eingesetzt war. Wird hier ein Mörder gedeckt, um brisante Fakten über den deutschen Herbst unter Verschluss zu halten?

Graf vermischt Fakten, Fiktion und Zeitebenen virtuos und enthält sich bewusst einer abschließenden Antwort, an welchen Hergang der Ereignisse er glaubt. Damit lässt er viel Raum für Spekulationen. Der Regisseur will den Blick auf die mangelnde Aufarbeitung der damaligen Ereignisse lenken. „Das Thema wurde überwiegend einseitig aufgearbeitet. Viel zu viel Schlamperei und Vertuschung der staatlichen Behörden wurde und wird bei uns nach wie vor unter den Teppich gekehrt.“