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"Tatort" "Tatort - Der gute Weg": Warum Berliner Kommissare unsympathisch aber authentisch sind

Von Michael Kohler 06.05.2019, 03:45
Die in Tränen aufgelöste Nina Rubin (Meret Becker) kann ihrem Kollegen Robert Karow (Mark Waschke) nicht bei der Tatortbegehung zur Seite stehen
Die in Tränen aufgelöste Nina Rubin (Meret Becker) kann ihrem Kollegen Robert Karow (Mark Waschke) nicht bei der Tatortbegehung zur Seite stehen rbb Presse & Information

Köln - Der Berliner „Tatort“ bot einiges fürs Beitragsgeld. Hier kommt das Wichtigste.

Der Fall

Es beginnt beinahe wie „Tatort“ trifft „4 Blocks“: Eine Polizeistreife wird wegen nächtlicher Ruhestörung gerufen, die Beamten klingeln an der Tür einer Berliner Mietskasernenwohnung, und plötzlich sind nach einigem Hin und Her zwei Menschen tot und zwei schwer verletzt. Die Ruhestörer gehörten zu einem libanesischen Drogenclan, einer von ihnen ist jetzt als Polizistenmörder auf der Flucht. Doch das ist nur der Aufgalopp, und schon bald geht es nicht mehr um Gangsta-Sympathie, sondern um Polizeiarbeit.

Die Auflösung

Jetzt kommt’s ganz dicke: Der Streifenpolizist Harald Stracke hat vor Jahren im Einsatz versehentlich seinen drogensüchtigen Sohn erschossen, die Schuld daran nahm jedoch seine junge Kollegin, die in Stracke einen Vaterersatz sieht, auf sich. Strackes Ehefrau verlangt jetzt aber von ihm, dass er den Kontakt zur Ziehtochter abbricht, weil sie ihr den Tod ihres Sohnes nicht verzeihen kann. Dies will wiederum die Kollegin nicht akzeptieren und droht, der Ehefrau alles zu beichten. Puh!

Bei so viel Unglück kann man schon mal auf verzweifelte Ideen kommen. Also arrangiert der Polizist ein zufälliges Treffen mit libanesischen Drogenhändlern; einer von ihnen ermordet die lästig gewordene Kollegin, als Gegenleistung „erledigt“ Stracke einen der Gangster. Als ihm die Ermittler auf die Schliche kommen, tötet er den Komplizen, dann seine eigene Ehefrau und lässt sich schließlich von der Polizei erschießen. Das klingt alles furchtbar kompliziert und überladen. Aber auf dem Bildschirm funktioniert es tadellos.

Die Kommissare

Die Berliner Kommissare scheren sich nicht um Sympathiepunkte, was sie selbstredend schon wieder sympathisch macht. Zumindest als Fernsehfiguren. In der Wirklichkeit würde man ihnen wohl tunlichst aus dem Weg gehen. Marc Waschke spielt eine Mischung aus Macho und Arschloch, Meret Becker ist halb Zicke und halb Furie – im Gegensatz zu manchem anderen „Tatort“-Ermittlerpaar lösen sie ihre Fälle allerdings nicht aus Zufall, sondern weil sie etwas von (fernsehgerechter) Polizeiarbeit verstehen. Man könnte ihre Ermittler deshalb auch komplexe Großstadtmenschen nennen.

Das stach heraus

Die Berliner „Tatort“-Macher nehmen ihren Gebührenauftrag sichtlich ernst und zielen in Richtung urbanes Weltkrimitum. Wenn Waschke eine Frau ins Bett kriegen will, redet er nicht lang drum herum, und Becker wacht in jeder Folge (oder Szene?) neben einem anderen Typen auf. Einmal funkelt uns Waschkes nackter Hintern vor der nächtlichen Berliner Skyline an – einen Grimme-Preis gibt es dafür wohl nicht, aber hoffentlich eine lobende Erwähnung für Großstadt-Flair.

Fazit

„Das ist nicht mehr unsere Stadt“, sagt der Streifenpolizist Stracke gleich mehrfach. Das stimmt allerdings nur, wenn man vergisst, wie heruntergekommen und „unregierbar“ das geteilte Berlin in den 70er und 80er war. Trotzdem ein gelungener Versuch, das Berlin-Klischee von der deutschen Hauptstadt des Verbrechens auf den neusten Stand zu bringen.