"Tatort" über Versicherungen Tatort Auge um Auge über Versicherungen: Die wahren Täter tragen Anzug

Die Deutschen lieben Versicherungen. Sie geben einem das gute Gefühl, auf alles vorbereitet zu sein. Dumm nur, wenn die sich dann im Schadensfall ihrer Verantwortung entzieht und nicht zahlt. Der neue Dresdner „Tatort“ lässt an der Branche, die so gerne mit Vertrauen wirbt, kein gutes Haar. Die Mitarbeiter der fiktiven Alva sind eigentlich durch die Bank skrupellos und intrigant.
Am schlimmsten führt sich der selbstgefällige Abteilungsleiter Heiko Gebhardt (Alexander Schubert) auf. Als er am hellichten Tag in seinem Büro vom Dach eines Nachbarhauses erschossen wird, hält sich die Bestürzung bei seinen Kollegen auffallend in Grenzen.
Henni Sieland (Alwara Höfels), Karin Gorniak (Karin Hanczewski) und Kommissariatsleiter Peter Michael Schnabel (Martin Brambach) haben alle Hände voll zu tun, denn Verdächtige gibt es mehr als genug. In der Versicherung herrschen Misstrauen und Missgunst zwischen den Angestellten, da wird gemobbt und gedroht.
Und dann sind da ja noch die Kunden. Harald Böhlert (Peter Schneider) etwa, der seit einem Arbeitsunfall im Rollstuhl sitzt, und darum kämpft, endlich eine Entschädigung von der Alva zu erhalten.
Täter aus dem Großraumbüro
Drehbuchautor Ralf Husmann, bekannt geworden durch „Stromberg“, hat ein Zeitungsartikel inspiriert, der die im Film gezeigte Entwicklung skizzierte. Die Leute vertrauten darauf, dass ihnen mit einer Versicherung nichts passieren kann. Aber auch die handelten nach der Maxime: so spät und so wenig wie möglich zahlen. Das könne Betroffene im Einzelfall die Existenz kosten. „Das fand ich, ist eine gute Grundlage für einen Krimi.“
Und Husmann gefiel die Idee, „Verunsicherung in eine Versicherung zu bringen“. Sein dritter Dresden-„Tatort“ zeige, dass „die Leute, die uns wirklich gefährlich werden, meist nicht die tätowierten in Lederjacke sind, die uns abends auf der Straße entgegenkommen, sondern die im Anzug, die in Großraumbüros hinterm Computer sitzen.“
Ärger um Pegida-Szenen
Für einige Aufregung sorgte der „Tatort“ schon im Vorfeld, weil der MDR kurz vor der Ausstrahlung noch eine Passage änderte. Rollstuhlfahrer Böhlert will sich zu Beginn auf einer abschüssigen Straße das Leben nehmen, wird aber von einigen Männern gerettet. Die waren eigentlich mit Pegida-Fahnen und T-Shirts unterwegs.
In der ersten Fassung des Films habe es eine sarkastische Bemerkung des Rollstuhlfahrers gegeben, der sich über die Pegida-Anhänger beklagt, so der MDR. Bei der späteren Bearbeitung habe man dann aus dramaturgischen Gründen auf den sarkastischen Witz verzichtet, um dem Einstieg mehr Tempo zu geben. Leider sei dabei übersehen worden, die Hinweise auf die politische Gesinnung der Männer zu entfernen.
Brambach erinnert an „Stromberg“
Der MDR betont, dass eine als politisch erkennbare Gruppe von Männern ohne ersichtlichen Kontext als Retter eines Rollstuhlfahrers erscheine, sei selbstverständlich nicht beabsichtigt gewesen. Deshalb wurde der Film bearbeitet. Von Pegida-Symbolen ist in der Sendefassung nichts mehr zu sehen.
„Auge in Auge“ (Regie Franziska Meletzky, die ebenso wie Peter Probst auch am Drehbuch mitschrieb) trägt mal wieder deutlich Husmanns Handschrift. Entsprechend launig kommt der Film über weite Strecken daher. Besonders die Szenen mit Martin Brambach als Chef lassen Erinnerungen an „Stromberg“ hochkommen.
Die Balance zwischen berechtigter Kritik an Versicherungen, die allerdings manchmal zu sehr nach dem „Wir hier unten, ihr da oben“-Prinzip abläuft, und den humorigen Auseinandersetzungen stimmt zwar leider selten in diesem Krimi, aber der unterhaltsame Ton und das klassische „Mord – viele Verdächtige – Aufklärung“-Muster, das hier eingehalten wird, dürfte vielen „Tatort“-Fans gefallen.