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Kommentar zu Nora Illi bei Anne Will Nora Illi bei Anne Will: Was die Demokratie aushalten muss

Von Joachim Frank 08.11.2016, 20:37
Nora Illi (Frauenbeauftragte des Islamischen Zentralrats Schweiz) bei Anne Will.
Nora Illi (Frauenbeauftragte des Islamischen Zentralrats Schweiz) bei Anne Will. NDR

Köln - Medien sollen – im buchstäblichen Sinn – Mittler sein. Die Arbeit von Journalisten besteht darin, in Wort und Bild eine Verbindung herzustellen zwischen dem Absender und dem Empfänger einer Botschaft.

In der Theorie ist diese Vermittlungsfunktion eine neutrale. Der dazu passende Satz fürs Poesie-Album stammt vom früheren „Tagesthemen“-Moderator Hanns Joachim Friedrichs: „Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich mit keiner Sache gemein macht, auch nicht mit einer guten Sache.“

Islamismus ist keine „gute Sache“. Terror im Namen Allahs auch nicht. Und ein Menschenbild, das Frauen unter ein kommunikatives Leichentuch namens Burka oder Nikab zwingt, ist sicher auch keine „gute Sache“. Es darf unterstellt werden, dass Anne Will das ebenso sieht.

Aber sie hat es in ihrer Sendung am vorigen Sonntag nicht gesagt. Damit hat sie sich am Ende unwillentlich „gemein gemacht“ mit der Islamistin Nora Illi und dem so unverfrorenen wie hirnverbrannten Fundamentalismus ihres Schweizer Gastes.

Sollten Medien solchen Einpeitschern eine Bühne bieten?

Die Frage, ob Medien solchen Einpeitschern (egal welchen Geschlechts) eine Bühne bieten sollten, ist nicht so trivial, wie sie zu sein scheint. In einer zunehmend fragmentierten Gesellschaft schwinden die Schnittmengen gemeinsamer Werte und Überzeugungen.

Es wird immer schwieriger, wahrzunehmen, was an den Rändern in den kleineren oder größeren Gruppierungen gedacht und gesagt wird. Zugleich sinkt die Bereitschaft zur Auseinandersetzung: Man bleibt am liebsten unter seinesgleichen, fühlt sich am wohlsten in Selbstbestätigungszirkeln und schafft sich im Internet das passende Gehege. Maximales Getöse geht einher mit minimaler Frustrationstoleranz oder Selbstkritik.

Das ist genau das Problem, wenn die Medien Extremisten zu Wort kommen lassen. Dahinter steht ja die Idee, dass ein Austausch von Argumenten möglich sei, die das Gegenüber erreichen – die Voraussetzung für ein Gelingen jeglichen Gesprächs. Fanatiker aber sind unberührbar, eingeigelt, vernagelt – oder vollverschleiert. Nora Illi im Nikab im Sessel neben Anne Will ist somit auch das Symbolbild schlechthin für programmiertes Scheitern medialer Vermittlung.

Es braucht den Widerspruch, die Entlarvung

Hätte also die Moderatorin – hier stellvertretend für alle Kollegen im Fernsehen, beim Radio oder in Zeitungen – sein lassen sollen, was nichts werden kann? Nicht unbedingt. Journalisten, die es mit Professionalität und Qualität halten, gäben ihren Anspruch preis, wenn sie die Fenster und Türen verschlössen und ihre Redaktionsräume mit ideologischen Luftfiltern versähen.

Sie müssen die unangenehmen und auch die widerwärtigen Gerüche aushalten. Aber sie sollten nicht einfach weiteratmen, als wäre die Luft rein. Sie müssen die Nase rümpfen, husten, sich die Augen reiben. Damit ihre Zuschauer, Hörer und Leser merken, was in der Luft liegt.

Damit den Luftverpestern nicht die Lufthoheit überlassen bleibt, braucht es die Konfrontation. Es braucht den Widerspruch, die Entlarvung. Auch da ist es mit rechtschaffener Empörung nicht getan, die ja dann auch nichts anderes wäre als eine Form der Selbstbestätigung – nur diesmal eben der Rechtschaffenen.

Es wird vielmehr darum gehen müssen, die Folgen von Fanatismus und Extremismus aufzuzeigen – nüchtern, präzise, unerbittlich. Weil damit zumindest diejenigen erreicht werden können, denen nicht jegliche Reflexionskraft abhanden gekommen ist. Und genau darauf wird auch bei der Auswahl derer zu achten sein, die als Gesprächspartner der Medien noch in Frage kommen. Sie sollten bewiesen haben, dass sie bei aller Radikalität noch wie Menschen agieren und reagieren – und nicht als bloße Sprechmaschinen, so wie Nora Illi.