Fernsehen „Nicht deppert reden“ - Porträt über Coming-out beim Militär
Harter Drill, raue Sprüche – doch hinter der Fassade von Charles Eismayer verbirgt sich ein Geheimnis. Ausgehend von einer wahren Geschichte zeigt Arte einen eindrucksvollen und berührenden Film.

Berlin - Als Christina damals anfing, sich für ihn zu interessieren - da dachte Charles Eismayer, er sei „geheilt“. Doch heute muss er seiner Frau sagen: Er war schwul und ist schwul und bleibt schwul.
In sein Weltbild passt das jedoch nicht wirklich. Und schon gar nicht ins Militär.
Drill und derbe Wortwahl
Vizeleutnant Eismayer gilt als einer der härtesten Ausbilder beim österreichischen Bundesheer. Wenn er die Rekruten anbrüllt, treten die angespannten Muskeln am Hals deutlich hervor. „Bei mir zählt Leistung“, erklärt er zur Einführung. „Ich trag' Sie scheißen, wenn Sie Ihre Leistung bringen.“
Die Wortwahl ist derb. Wer nicht spurt, dem droht er mehr oder weniger flapsig mit dem Tod: „Wenn Sie erfrieren, dann bring' ich Sie um!“
Mit seiner Art eckt er auch bei den Vorgesetzten an. „Genau wegen so Schleifertypen wie Ihnen will keiner mehr zum Bundesheer“, kritisiert der Hauptmann. „Wir sind weder in den 80ern noch in den 90ern.“
Wahre Begebenheiten
Doch unter den neu eingestellten Soldaten ist der offen schwul lebende Mario Falak. Und das bringt alles ins Wanken.
Arte zeigt den Film „Eismayer“ am Freitagabend (20.15 Uhr). Das Porträt beruht auf wahren Begebenheiten. Charles Eismayer zählt zu den Ersten im Bundesheer, die die eigene Homosexualität öffentlich gemacht haben.
Regisseur David Wagner hat bei der Recherche für sein erstes Drehbuch beide Männer - Eismayer und Falak - mehrfach getroffen und immer besser kennengelernt. Zudem habe er zahlreiche Ex-Rekruten interviewt, berichtet Wagner im Presseheft. „Dabei war es sehr spannend, zu erforschen, wie sehr dieser Mensch polarisiert.“
Hadern mit Homosexualität
Herausgekommen ist ein Porträt, das in gerade mal 80 Minuten einen kompletten Wandel eines Lebens darstellt: Seine Frau verlässt ihn und nimmt den Sohn mit. Als er an Krebs erkrankt, steht Mario an seiner Seite. Nachdem er das Krankenhaus verlassen hat, drillt ihn der junge Soldat quasi mit Eismayer'schen Methoden, bis er wieder fit wird: „Aufgegeben wird nur ein Brief.“
Doch zurück im Dienst, wird der gefürchtete „Schleifer“ versetzt, muss in den Keller ziehen. Und mit seiner Homosexualität hadert er weiter. Ganz zu schweigen davon, dass er die Beziehung zu Mario öffentlich machen könnte: „Die Welt funktioniert nicht so, wie dein schwules Hirn sich das vorstellt.“
Annäherungen
Gerhard Liebmann spielt den autoritären Befehlsgeber eindrucksvoll. 2023 wurde er dafür mit dem Deutschen Schauspielpreis als bester Hauptdarsteller geehrt. An seiner Seite ebenfalls stark: Luka Dimić als Mario Falak.
Dass Eismayer nicht nur hart und derb kann, zeigt sich schon früh in einer Szene, als die Soldaten auf einem Drahtseil über einen Bergbach gehen sollen. Falak zögert, hadert mit der Angst - und der Ton des Ausbilders ändert sich.
So ist es später auch Falak, der in einer Runde mit seinen Kameraden über Eismayer sagt: „Ich finde, er ist hart, aber gerecht.“
Vorstellungen von Männlichkeit und Stärke
Wagner erzählt in oft kurzen Sequenzen aus dem Leben der Hauptfigur. Sie zeigen Eismayer rauchend. Unter der Dusche. Beim Training. Blut hustend. Beim Sex. Und wie er zu Hause die Schuhe der Familie in Reih und Glied ordnet.
„Für Kontrolle braucht's Ordnung. Ordnung im Spind, im Kopf und im Körper“, lautet sein Motto. „Nicht deppert reden, einfach machen.“
Die Geschichte breche Vorurteile und Vorstellungen von vermeintlicher Männlichkeit und Stärke und neu setze sie neu zusammen, erklären Produzent Arash T. Riahi und Produzentin Sabine Gruber in einem Statement zum Film. „Gerade in einer Zeit, in der rechte beziehungsweise rechtskonservative Regierungen in zahlreichen Ländern die Situation für die LGBTQ-Community zusehends verschlechtern, ist es umso wichtiger, derartige starke Geschichten, die auf realen Figuren und wahren Begebenheiten beruhen, zu erzählen.“