Neue Dokureihe "Stereotyp" bei Arte

Berlin - Legen französische Frauen Wert auf Eleganz und Briten auf gute Manieren? Sind Griechen arbeitsscheue Ouzo-Trinker? Was ist dran an solchen Stereotypen? Stimmt es, dass es in Schweden viele starke Frauen gibt und Deutsche humpenweise Bier trinken? Die Filmemacher Lilly Engel und Philipp Fleischmann haben sich diese Fragen gestellt und den Schweizer Rapper und Moderator Knackeboul auf eine Reise durch Europa geschickt.
Das Ergebnis ist eine zehnteilige Reihe mit dem schlichten Titel „Stereotyp”, die Arte mit den ersten beiden Folgen über England und Italien am Montag (29. Mai, 16.15 Uhr und 16.45 Uhr) startet.
Die jeweils 25-minütigen Kurz-Dokus laufen als Doppelfolge an fünf Tagen hintereinander. Knackeboul nimmt sich für jedes der zehn Länder ein paar typische Stereotype vor, nach denen er zuvor in anderen Ländern gefragt hat: „Wie sind die Italiener?” zum Beispiel. Und da gibt es gleich eine kleine Sammlung von Vorurteilen, die manchmal ziemlich unfreundlich klingen: „große Klappe” lautet eins, „Machos” ein anderes - und natürlich: „Die wohnen immer bei Mama.”
Knackeboul hält sich nicht mit Theorie auf, bemüht keine Wissenschaftler, keine Stereotypenforschung. Er fährt einfach los und guckt sich um. Und trifft in Italien tatsächlich auf Männer, die noch bei ihrer Mamma wohnen, aber auch andere, die das für abwegig halten.
Zwei Carabinieri in Rom bestätigen, dass etwas dran sei am Mythos von der überragenden Rolle der italienischen Pasta: Sie erzählen von einem einsamen Ehepaar, für das sie Pasta gekocht haben - das Paar war tief gerührt. Der Koch Fabio Picchi dagegen weist das weit von sich: Die Pasta sei eine Erscheinung des 20. Jahrhunderts und alles andere als ur-italiensich.
Und stimmt es, dass Italiener Vielredner sind und wild gestikulieren? Knackebouls Gesprächspartner können jedenfalls eine Reihe in Italien verbreiteter Gesten vormachen und erklären. Ganz klar wird aber nicht, ob das mit dem Gestikulieren nun typisch italienisch ist oder in Spanien und Tschechien womöglich ähnlich verbreitet.
In einem Vorort von Neapel besucht Knackeboul einen Anwalt, der schon den einen oder anderen Mafioso vertreten hat. Organisierte Kriminalität - ist das typisch italienisch? Salvatore, ein unter Hausarrest stehender verurteilter Mafia-Verbrecher, sieht das nicht so: An einen Zusammenhang zwischen Mafia und italienischer Mentalität glaubt er nicht. Der Anwalt bei Neapel betont dagegen immerhin: „Strafverteidiger wie ich werden hier nie arbeitslos.”
Unterm Strich ist man hinterher nicht viel schlauer als vorher, manche Stereotype stimmen ein bisschen, keines trifft voll und ganz zu. Gut, aber das hat man sich sowieso schon gedacht. Und so ist es bei Knackebouls Recherchen für die Doku-Reihe, eine Produktion von Engel Film und Fleischmann Film, in Zusammenarbeit mit Radio Bremen und Arte, in anderen Ländern auch: Ob Frauen in Schweden besonders stark sind, lässt sich nicht eindeutig klären. Weder im Gespräch mit der schwedischen Boxweltmeisterin Mikaela Laurén, noch mit der Regisseurin Zara Kjellner, die feministische Pornos dreht.
In England trifft Knackeboul Sir Benjamin Slade, einen Vertreter der Upper Class und diskutiert mit dem Lord, ob englische Adlige ausgesuchte Manieren haben. „Nein”, sagt der, wer erstmal zur Oberschicht gehöre, könne sich auch daneben benehmen. „Sogar die Queen isst ihr Hühnchen mit der Hand.”
Lord Slade ist wie viele von Knackebouls Gesprächspartnern witzig und unterhaltsam, von seinen abfälligen Scherzen über Franzosen mal abgesehen. Aber ob Briten nun auffällig gut erzogen sind oder sogar eher prollig, wie ein anderes Stereotyp lautet, bleibt offen.
„Ich denke, in jedem Klischee ist etwas Wahres”, sagt die franzöische Sängerin ZAZ, die Knackeboul genauso trifft wie Adèle Lobo, eine ausgesprochen kluge Bloggerin, die sich mit Schönheitsidealen beschäftigt. Die beiden können Knackebouls Fragen auch nicht abschließend beantworten, bereichern die Reihe aber mit interessanten Einsichten und Ansichten. (dpa)