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"Illner" zu Nahost-Konflikt Maybrit Illner: Talkrunde offenbart verhärtete Fronten im Nahost-Konflikt

Von Daland Segler 18.05.2018, 18:10
Das Thema der Sendung war: „Trumps Botschaft, Irans Bombe – kann Europa Krieg verhindern“.
Das Thema der Sendung war: „Trumps Botschaft, Irans Bombe – kann Europa Krieg verhindern“. Screenshot ZDF

Talkshows, daran muss man gelegentlich erinnern,  sind zunächst einmal Shows. Da werden Meinungen vorgeführt und Diskussionen inszeniert. Damit wird dem Publikum suggeriert, es nehme an den aktuell wichtigen politischen Debatten teil. Das hat ja etwas Tröstliches, wenn Hänschen klein aus erster Quelle erfahren darf, was die Großkopfeten so denken (eher: was sie sagen, dass sie denken).

Mitunter aber gerät diese politische Märchenstunde auch zu einem kleinen Horrorladen. So geschehen bei der jüngsten Sendung von Maybrit Illner. Ihr Thema: „Trumps Botschaft, Irans Bombe – kann Europa Krieg verhindern.“ Das Fragezeichen am Ende fehlte, doch es wäre angemessen gewesen. Denn ob Europa zu mehr in der Lage ist, als Bekundungen der Sorge und der Entschlossenheit zu handeln abzugeben, das darf bezweifelt werden. Zumal wenn am anderen Ende des Tisches Kräfte wirken, die ungleich kompromissloser agieren – und auch so reden.

Verhärtete Fronten

Wie etwa Melody Sucharewicz, Kommunikationsberaterin in Israel und früher „Sonderbotschafterin“. Sie stieg in Illners Runde mit der Bemerkung ein, 50 der 62 von den Palästinensern gemeldeten Toten nach den Auseinandersetzungen am Grenzzaun seien ja „Hamas-Kämpfer“ gewesen, das sind für sie ohnehin „Terroristen“.  So wie Israels späterer Regierungschef Menachem Begin vor 70 Jahren für die Briten einer gewesen ist und so wie die meisten nicht nur friedlichen Oppositionellen in den meisten nicht nur friedlichen Staaten eben als Terroristen gebranntmarkt werden.

Für Israel ist es nun eben die Hamas. Die will einen Staat Palästina, und sie will den Staat Israel fraglos vernichten – mit allen Mitteln. Aber wer auf die Attacken aus Gaza, wo die Verletzung eines Grenzzauns mit tödlichen Schüssen vergolten wurde, nur die militärische Reaktion kennt, der will den Brand mit Öl löschen.

Das Argument kommt bei jemandem wie Melody Sucharewicz nicht an. Wie verhärtet die Fronten inzwischen sind, dafür boten ihre Ausführungen ein erschreckendes Beispiel: Was in europäischen Medien als friedlicher Protest dargestellt worden sei, „war nichts anderes als ein verkappter Versuch, Israelis an der Grenze zu Gaza zu massakrieren“. Ihr sei bei der Lektüre der Berichte der Gedanke gekommen, die Europäer seien „verrückt geworden.“ Wenn nun eine Partei in dieser Krise von Verrücktheit freigesprochen werden kann, dann sind es die Europäer, die  – ob aus Mangel an Einigkeit, Schwäche oder Besonnenheit – immer auf Gespräche und Verhandlungen setzen.

Termin der Botschaftsverlegung war Brandbeschleuniger

Shahrzad Osterer, Reporterin, Iranerin und mit einem gebürtigen Israeli verheiratet, bedauerte, dass die  USA die Rolle als Vermittler aufgegeben haben. Sie hätte es begrüßt, wenn Trump auch für Ost-Jerusalem als Hauptstadt eines künftigen Palästinenserstaates plädiert hätte. Claus Kleber, Moderator des „heute-journal“ im ZDF, nannte den einen Brandbeschleuniger die „besonders provozierend terminierte Verlegung der Botschaft“. Der andere ist die einseitige und (fast) einhellig kritisierte Aufkündigung des Abkommens mit dem Iran durch Donald Trump.

Peter Altmaier (CDU), zuvor Staats-, jetzt Bundeswirtschaftsminister, wies darauf hin: Man habe ja mit den Amerikanern über die Möglichkeit gesprochen, das Iran-Abkommen neu zu verhandeln, die aber hätten den Dialog beendet. Er erinnerte auch daran, dass die Geschlossenheit des Westens stets ein Prinzip der US-Politik gewesen sei. Das habe Donald Trump abgeschafft, weil er seinen Wählern versprochen habe, er werde das Abkommen „zerreißen“, wie Claus Kleber zitierte. Das Agieren des US-Präsidenten erinnere an den Versuch, den Gordischen Knoten zu durchschlagen, doch sei Nahost „nicht das ideale Gebiet für Fingerübungen eines Anfängers“.

Kleber äußert sich differenziert

Kleber äußerte sich wohltuend differenziert gegenüber dem verhärteten Standpunkt der Israelin. Sicherlich sei die Erwartung an das Abkommen gewesen, dass sich der Iran verändert – das sei nicht passiert. Damit habe aber auch Saudi-Arabien zu tun. Die Lage zu kompliziert, um Schuld einseitig zu verteilen. Das kommt für Sucharewicz nicht infrage. Sie zählte als Manko des Abkommens unter anderem auf, dass Iran sein ballistisches Raketensystem habe aufrüsten können – also sollten die Mullahs nicht für die Verbesserung der Landesverteidigung sorgen dürfen?

Zudem behauptete sie, dass „140- bis 150.000 Raketen in diesem Moment auf Israel gerichtet“ seien – eine Zahl, die Kleber umgehend relativierte. Aber mit Vertretern eines solchen Betonkopf-Denkens eine Beruhigung der Lage im Nahen Osten zu erreichen, scheint eine Aufgabe, die selbst für ein einiges Europa einer Sahara-Durchquerung ohne Wasser gleichkäme.

Altmeier äußerte persönliche Meinung nicht

Illner hätte die Frage, ob Deutschland im Falle eines Krieges auch mit militärischen Mitteln an der Seite Israels stünde, Altmaier eigentlich nicht stellen müssen. Erstens sind „Was-wäre-wenn“-Fragen fast immer Steilvorlagen für ausweichende Antworten, und zweitens ist Altmaier als Stimme seiner Chefin ein Spezialist für ausweichende Antworten: Dann würden sich die Europäer entscheiden müssen, sagte er prompt, und dass er eine persönliche Meinung habe – die er aber nicht kundtat. Das Ziel des Abkommens, Iran am Bau einer Atombombe zu hindern, bestehe doch nach wie vor fort. Deshalb will er daran festhalten. Es gebe auch keinen einzigen Beweis, dass Iran weiter am Bau einer Atombombe arbeite.

Zu all dem kommt, dass die Politik der Sanktionen die Europäer in die Bredouille bringt. In einem Einspieler hieß es dazu, die Deutschen hätten als erste nach der „Entspannungsdividende“ im Iran gegriffen. Ob der Handel mit Iran verlogen sei, wollte Illner wissen. Altmaier bestritt das, erwähnte die Anti-Blocking-Verordnung und wandte sich gegen einen „Sanktionswettlauf“, der die heimische Wirtschaft treffen würde. Laut Annalena Baerbock, Parteivorsitzende der Grünen,  schlage nun „die Stunde Europas“. Man werde nicht zulassen, dass Trump die Souveränität Europas infrage stelle. Dagegen schwadronierte Melody Sucharewicz davon, dass die Ayatollahs den Europäern mit der Atombombe drohten, die deshalb den Iran nun „besänftigen“ wollten.

Da musste ihr auch Altmaier widersprechen, indem er auf die gescheiteren Einmischungen der USA im Irak und in Libyen hinwies. Sucharewicz griff ein Wort von EU-Chef Jean-Claude Juncker auf, um zu belegen, dass manch einer Trump nun als „Feind“ sehe. So weit sind wir noch nicht. Noch sei „Deutschland zu klein und Europa zu uneins, um Trump etwas entgegenzusetzen“, so Kleber. Aber dass der Wüterich aus den USA die Bemühungen der Europäer um Einigkeit verstärkt, ist erkennbar. So oder so, hat Annalena Baerbock erkannt, sei Außenpolitik immer „die Wahl zwischen Pest und Cholera“.