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"Maischberger" zur Leitkultur "Maischberger" zur Leitkultur: Motsi Mabuse berichtet von Anfeindungen und Drohungen

Von Timo Lehmann 11.05.2017, 07:15
Motsi Mabuse bei Sandra Maischberger
Motsi Mabuse bei Sandra Maischberger WDR/Melanie Grande

Reicht das Grundgesetz aus, um das Deutschsein zu definieren? Braucht es mehr als das, und wenn ja, wer bestimmt, was Deutsch ist, und was nicht? Im Zweifel offenbar: Innenminister Thomas de Maizière. Der hat vergangene Wochen, pünktlich vor den wichtigen Landtagswahlen, wieder den Begriff „Leitkultur“ aufgewärmt und den Talkshows der Wochen die Themensuche erleichtert.

Schon der Titel der Sendung überspitzte die aufgeblähte Debatte, an der sich gerade abgearbeitet wird: „Beethoven oder Burka – Braucht Deutschland eine Leitkultur?“ Vergeblich wird man in Deutschland nach ihnen suchen müssen, den Beethovenhörern und Burkaträgerinnen. In die Talkshow schaffte es dann aber doch eine halbwegs repräsentative Runde.

„Leitkultur ist ausgelutscht“

Den ersten Maizièreschen Irrtum, Deutsche würden sich bei Begrüßung immer die Hand geben, konterten die Moderatorin selbst mit einem Faustcheck mit der Publizistin Birgit Kelle. „So kann man sich ja auch Hallo sagen.“ Kelle kann sich mit dem Begriff „Leitkultur“ nicht anfreunden: „Der ist inzwischen so ausgelutscht.“

Ansonsten lieferte die konservative Autorin ab, was von ihr verlangt wurde: Deutschland sei auf dem Weg, sich gar nicht mehr zu definieren. Deutschland habe aufgrund seiner Geschichte ein Problem, einen Nationalstolz zu entwickeln. Deutschland stelle überhaupt keine Anforderungen an neue Bürger. So weit, so erwartbar.

Dagegen hielt Berlins nicht unumstrittener Politstar Sawsan Chebli. Die SPD-Politikerin und deutsche Muslimin forderte mehrfach ein, die Diskussion über gemeinsame Werte müsse für die Deutschen mit Migrationshintergrund geöffnet werden. Der abgenutzte Begriff „Leitkultur“ evoziere einen Backlash in die 1990er Jahre. Dabei sei die Diskussion schon viel weiter: Niemand bestreite mehr, dass Ankömmlinge in Deutschland die Sprache lernen müssten und sich an das Grundgesetz halten. 

„Am Ende geht es darum, dass alle den gleichberechtigten Zugang haben, um an dieser Gesellschaft teilzunehmen.“ Dazu gehörten weder Niqab noch Burka, doch aber auch konservative Muslime, Christen und Juden.

Motsi Mabuses Deutschsein wird in Frage gestellt

Stern-Journalist Hans-Ulrich Jörges analysierte zwei deutsche Leitbilder, die nicht vereinbar wären. Einerseits die Vorstellung eines „ur-germanischen“ Deutschlands, das so nicht mehr existiere und dem weltoffenen, vielkulturellen Deutschland von heute. Den Döner möchte er nicht missen: „Ich will nicht in Ur-Germanien leben.“

Deutschland habe sich positiv verändert. Vor wenigen Jahrzehnten stand Homosexualität unter Strafe, heute aber sei diese Bevölkerungsgruppe erfolgreich in die Gesellschaft integriert. Motsi Mabuse wirft richtigerweise ein, dass die Ehe für Schwule und Lesben noch immer nicht geöffnet wurde.

Realität sieht für Motsi Mabuse anders aus

Auch im weiteren Verlauf der Sendung weist Mabuse immer wieder klug darauf hin, die vorgetragene Idealvorstellung entspreche nicht der Realität. Bis heute wird ihr Deutschsein aufgrund ihrer Hautfarbe in Frage gestellt. Regelmäßig bekommt sie E-Mails, in denen sie als Affe beschimpft wird und Menschen ihr mit Baseballschläger drohen.

Zudem habe sich in Deutschland die Stimmung in den vergangenen Jahren negativ verändert, die Attacken hätten zugenommen.

„'Leitkultur' bringt alle auf die Palme“

Der bayrische Innenminister Joachim Herrmann stellte sich der Diskussion nur bedingt. Schließlich hatte man in Bayern schon vor Monaten die Leitkultur wieder auf die Agenda gesetzt. „Wir können nicht mehr aneinander vorbei leben.“ Aber auch der CSU-Politiker gibt zu, der Begriff „Leitkultur“, bringe „inzwischen alle möglichen Leute auf die Palme.“

Einen spannenden Punkt setzte Herrmann dennoch: In den USA, wo niemand jemanden wegen seiner Hautfarbe oder Religionszugehörigkeit absprechen würde, Amerikaner zu sein, finden trotzdem im Übermaß fremdenfeindliche Straftaten statt. Leider würgte die Moderatorin diesen Diskussionspunkt ab: „Wir sprechen hier über Deutschland.“

Dabei müsste man sich tatsächlich fragen, in welchem Maße sich das Zusammenleben verbessert oder die Diskriminierung von Minderheiten aufhört, nur weil jene als Bestandteil Deutschlands gesehen werden.