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"Maischberger" "Maischberger": Semsrott: "Dass ich hier sitze halte ich für problematisch"

Von Nadja Lissok 30.05.2019, 12:11
Die Runde am Mittwochabend bei Sandra Maischberger
Die Runde am Mittwochabend bei Sandra Maischberger WDR/Max Kohr

Berlin - Das Internet ist schon so ein Mysterium – zumindest für so manchen Politiker, hat man in den vergangenen Tagen das Gefühl bekommen. Sandra Maischberger fragt deshalb in ihrer ARD-Talkrunde, ob das Netz den Volksparteien zum Verhängnis werden könnte.

Die Gäste

Kevin Kühnert (SPD): Die Entwicklung, die in den Parteizentralen von SPD und CDU offenbar viele überraschte, erfuhr der Juso-Bundesvorsitzende bereits im vergangenen Jahr am eigenen Leib: Junge Menschen werden von erfahrenen Politikern nicht ernst genommen. Die aktuelle Personaldebatte seiner Partei interessiert ihn nach eigener Aussage „einen Scheiß“.

Reiner Haseloff (CDU): Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt sieht das Land in Ost und West, Alt und Jung gespalten. In Hinblick auf die Landtagswahlen in Ostdeutschland warnt er seine Parteikollegen vor einer möglichen Zusammenarbeit mit der AfD. Als einziger in der Runde glaubt er an den Fortbestand seiner CDU als Volkspartei.

Marion von Haaren (ARD-Korrespondentin): Die Journalistin sorgt sich um die Koalitionsparteien. Besonders die SPD ist zerrissener und kopfloser denn je: „Es fehlt ihr eine charismatische Führung“. Zudem würden die Grünen die Regierungsparteien mittlerweile vor sich hertreiben.

Nico Semsrott („Die Partei“): Der Kabarettist, bekannt aus der ZDF-„heute show“, sitzt bald mit Martin Sonneborn für „Die Partei“ im EU-Parlament. „Wir wurden zu lange von alten, weißen Männern regiert“ ist der Grund für seine politische Karriere. Und weil er gerne einmal in einer Talkshow den Sinn von Talkshows anzweifeln wollte.

Robin Alexander („Welt“-Journalist): „Da halten sich Schrecken und Faszination die Waage“, sagt der Hauptstadtjournalist zum Phänomen der satirischen Parteien in Europa. Vielleicht würde er das in einer stillen Minute auch über das aktuelle Gebaren der CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer sagen. Die CDU sei gerade in schweren Gewässern unterwegs, die SPD bereits beim Ertrinken.

Darüber wurde diskutiert

Der hohe Gesprächsbedarf hält auch drei Tage nach der EU-Wahl an. Sind die beiden Volksparteien am Ende? Werden Sie von den Grünen abgelöst? Wer verteidigt dann die Demokratie im Osten?

Die Moderatorin Sandra Maischberger hatte es besonders auf den Neu-Politiker Nico Semsrott abgesehen. „Dass ich hier sitze, halte ich für problematisch“, sagt der Kabarettist mit dem schwarzen Kapuzenpulli, der sich mit 33 Jahren wiederholt als junger Mann ansprechen lassen muss. „Das ist ein Alarmsignal.“ Er habe die Einladung aber angenommen, damit auf seinem Platz kein AfD-Politiker Platz sitzen kann.

Maischberger hält Semsrott das Abstimmungsverhalten seines Parteikollegen Martin Sonneborn vor und erwartet von ihm ständig politische Absichtserklärungen, wo dieser nur entwaffnend-ehrliche Punchlines für die Zuschauer hat. „Die Menschen in der Zivilgesellschaft sind mittlerweile politischer als die Politik selbst“ ist so ein wahrer Satz. Und: „Wir nehmen unsere Politik ernst, nur die Kommunikation ist Satire, bei den meisten Parteien ist es gerade andersherum.“

Allenfalls Kühnert kann als linksprogessiver Berliner noch etwas mit der Satirepartei anfangen, die anderen Diskussionsteilnehmer bleiben auf Abstand. In manchen Biotopen sei sie wohl sehr beliebt, mutmaßt ARD-Journalistin Marion von Haaren. „Ich sehe sie als Herausforderung, als Stachel im Fleisch – wie meine fünf Enkel“, kommentiert Reiner Haselhoff. Und bekommt von Semsrott gleich ein Kompliment zurückgegeben: „Ihr Storytelling ist viel besser als das von Frau Kramp-Karrenbauer. Sie sollten Sie beraten.“

Haselhoff hat in der Diskussion aber sowieso schon den schwersten Stand. SPD und CDU werden noch einmal von allen Seiten kritisiert: Umgang mit der Kritik der Youtuber und den „Fridays for Future“-Demonstranten, verschleppte Klimaziele, AKKs Wunsch nach der Einschränkung von Meinungsäußerungen.

Nur der Ministerpräsident springt halbherzig für seine Regierungspartei in die Bresche. Kühnert versucht nicht einmal mehr das für „seine“ SPD: „Den Laber-Rhabarber will keiner mehr hören.“

Verwirrendster Moment

Kurz vor Schluss bringt Robin Alexander noch eine Verschwörungstheorie in Bezug auf die SPD an. Kühnert äußere sich seiner Meinung nach nur nicht zur Debatte über den Fraktionsvorsitz von Andrea Nahles, weil er vorhabe, „die Groko im Dezember abzuräumen“. Was auch immer das bedeuten soll. Ein Abgang der Parteivorsitzenden sei für Kühnert gerade noch zu früh, deshalb stütze er Nahles taktisch noch bis Ende des Jahres. Kühnert schüttelt nur belustigt den Kopf.

Das beste Zitat

Maischberger zu Semsrott, als dieser ein Handzeichen gibt: „Sie können einfach reden. Ich weiß nicht, ob Sie noch nie in einer Talkshow waren.“ – „Ich bin einfach nur höflich.“

Fazit

Der Abend bei Maischberger zeigt ein Gespräch, dass alle geführten Debatten um den Umgang mit „jungen Menschen aus dem Internet“ auf den Punkt bringt. Kabarettist Semsrott, der bei Erstwählern große Erfolge hatte, wird von CDU-Politiker Haselhoff und den Hauptstadtjournalisten wie ein Clown gesehen, der Politik spielt. Vielleicht ist genau jenes das Problem der Volksparteien in dieser Zeit.