"Legend of Tarzan" "Legend of Tarzan": Ein muskelbepacktes Hybrid

Seit Edgar Rice Burroughs seinen Tarzan Anfang des vorigen Jahrhunderts als Romanheld zu den Affen schickte, hat dieser sich in vielerlei Gestalt hinüber auf die Leinwand geschwungen.
Johnny Weissmüller war Tarzan, Lex Barker, Gordon Scott und Christopher Lambert, und alle waren sie sportlich. Was aber soll man zu Alexander Skarsgård sagen, der den Naturburschen von adligem Geblüt in der neuen Verfilmung von David Yates verkörpert? Sein Tarzan ist ein griechischer Gott.
Selbst die Narben auf seinem perfekt ausdefinierten Astralkörper wirken dekorativ. Mehr Sex war nimmer in den Baumkronen Afrikas, wo sich der Held in irrwitzigem Tempo von Liane zu Liane schwingt und dabei en passant demonstriert, dass ein englischer Lord der bessere Gorilla ist. Auf jeden Fall der besser aussehende. Darwin wäre das eine Freude gewesen.
Politisch und kritisch
Wobei auch reichlich Kritik am Kolonialismus geübt wird in Yates’ Neuinterpretation von Burroughs Geschichte. Diese beginnt nämlich zu einem Zeitpunkt, da sich Tarzan schon längst wieder in John Clayton III., Lord Greystoke verwandelt, den schwülen Regenwald gegen ein komfortables Heim im regnerischen London getauscht und feinen Zwirn dem Lendenschurz vorgezogen hat. Nur ein Grund ist stark genug, ihn und Jane vom Kaminfeuer fortzulocken – dass nämlich in der alten Heimat belgische Kolonialherren wüten, welche die Sklaverei eingeführt haben.
So politisch, kritisch und zumindest auf englischer Seite auch edelmütig scheint es zuzugehen in Yates’ „Legend of Tarzan“ – auch ein Schwarzer aus Amerika ist in Gestalt von Samuel L. Jackson mit von der Partie, der sich für die Verbrechen an den Indianern entschuldigt – wenn man schon mal dabei ist, die Sünden der Vergangenheit aufzuarbeiten...
Sogar die Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern findet ein Plätzchen, denn als Margot Robbie in der Rolle der Jane vom bösen Christoph Waltz als Captain Rom entführt wird, lässt sie sich wahrhaftig nichts bieten.
Geschichtlichen Bezüge entpuppen sich als Angeberei
„Legend of Tarzan“ strotzt also nicht allein vor Muskeln, sondern auch vor politischer Korrektheit und Widerspruchsgeist gegen Weiße und Männer beziehungsweise gegen weiße Männer. Sollte man zumindest meinen. Denn wie mit allem in seinem Film, übertreibt es Yates – Regisseur von immerhin vier „Harry-Potter“-Adaptionen – auch in Sachen Historienkritik.
Wenn er „Legend of Tarzan“ mit einer Schrifttafel zur sogenannten Kongokonferenz im Jahr 1884 in Berlin beginnen lässt, so erwartet man mit Fug und Recht eine Aktualisierung von Burroughs Geschichte vor dem Hintergrund des Wettlaufs um Afrika. Doch je tiefer Lord Greystoke in den Urwald vordringt, je mehr Kleider er ablegt, je entschlossener er also wieder zu Tarzan wird, umso deutlicher entpuppen sich die geschichtlichen Bezüge als Angeberei: Yates ist nicht wirklich daran interessiert, eine Geschichte über den Kolonialismus zu erzählen, was auch nicht schlimm wäre, denn ein zünftiger Abenteuerfilm ist ja auch immerhin was. Aber indem er beides vermischt, bleibt sein Tarzan ein Hybrid.
Unverblümtes Afrika
So schreckt er bei allem Unmut über den weißen Mann auch vor Ethnokitsch nicht zurück, der das Spiegelbild der Afrika-Ausbeutung ist: Wenn Jane und John Clayton in ihr altes Dorf zurückkehren, werden sie von exotisch aufgeputzten Stammesmitgliedern empfangen, die spontan zu tanzen beginnen – zuvor hatte der Lord seinerseits schon Wiedersehen mit dem Land seiner Kindheit und Jugend gefeiert, indem er mit einem Löwen schmuste. Unverblümter kann man Afrika kaum als touristische Attraktion in Szene setzen, die zur Erbauung europäischer Motivsammler dient.
Ein unguter Ton der Verlogenheit durchzieht diesen cineastischen Souvenirladen, eine Gier nach Exotismus und Fremdheit. Dabei versteht Yates sein Handwerk und hat, was die Effekte betrifft, vermutlich den aufwendigsten und rasantesten Tarzan-Film aller Zeiten gedreht. Die zahlreich auftretenden Vertreter der afrikanischen Fauna stammen allesamt aus dem Computer und wirken doch so lebensecht, als könne man ihnen ins Fell greifen. Auch die Verschränkung von Greystokes und Janes neuerlicher Afrikareise mit Rückblenden in Tarzans Kindheit und Aufwachsen unter den Gorillas sorgt für eine reizvolle Dramatik.
Yates ist zu ambitioniert
Ja, in seinen besten Momenten schwingt sich „Legend of Tarzan“ auf zu einer schwungvollen und auch ein wenig altmodischen Verfolgungsjagd, bei der es nur darum geht, dass die Guten die Bösen kriegen.
Doch leider ist Yates zu ambitioniert. Er betreibt nicht allein ein bisschen Kolonialismusschelte fürs gute Gewissen, er stilisiert Alexander Skarsgård auch zum adonishaftesten Tarzan aller Zeiten. Das wirkt streberhaft, und so wie alle Streber ihre komischen Seiten haben, wirkt auch dieser Tarzan ein klein wenig lächerlich, wenn er als California Dream Men wie beim Junggesellenabschied durchs Unterholz tobt.
Samuel L. Jackson kommt kaum hinterher, aber er ist überhaupt derjenige, der mehr Zuschauer als Akteur ist. Deswegen schaut er immer ein wenig erstaunt und ungläubig aus der Wäsche. Eben wie wir.