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Kommentar Kommentar: Charlie Hebdo gibt es nun auch in Deutschland

Von Christian Bommarius 27.11.2016, 22:08
Nun auch auf Deutsch erhältlich.
Nun auch auf Deutsch erhältlich. AP

Die französische Satirezeitschrift Charlie Hebdo ist ein fürchterliches Blatt. Der Humor seiner Zeichner und Texter ist subtil wie eine Dampframme, seine Unverschämtheit vor allem im Umgang  mit den Religionen – und ihren Repräsentanten, ob  unter einem Talar oder einem Turban – ist legendär.

Erklärtes Feindbild ist auch der sogenannte feine Strich, auf den sich deutsche Karikaturisten viel zugutehalten, die Zeichnungen entstehen nicht mit Stift und Pinsel, sie werden offenbar mit einer Bazooka auf das Papier geschossen.   Gäbe es Preise für Vulgarität und Undifferenziertheit, für gezeichnete und geschriebene Geschmacklosigkeit, für hemmungslose  Unbedenklichkeit im Umgang mit der möglichen Empfindlichkeit der Leser und für Witze auf zuweilen untersten Niveau – Charlie Hebdo hätte sie längst alle gewonnen,  vollkommen verdient gewonnen.  Das Blatt ist eine Zumutung. Jetzt wird auch noch bekannt, dass es künftig, ab 1. Dezember, den deutschen Lesern in deutscher Übersetzung zugemutet werden soll.  Was soll man dazu sagen? Ganz einfach: Herzlich willkommen, Charlie Hebdo.

„Je sui Charlie“

Ein Blatt wie dieses haben die deutschen Leser und noch mehr die deutschen Medien schon lange verdient. Denn in Deutschland gibt es nichts Vergleichbares, nichts, was vergleichbar   radikal und   anstößig wäre. Medienerzeugnisse hingegen, an denen niemand Anstoß nimmt, die so beiläufig gelutscht werden können wie ein Drops, gibt es mehr als genug. Der Verzicht auf alles Verstörende und die Leser und Fernsehzuschauer möglicherweise Störende mag der Auflage und Quote bekömmlich sein, wirft aber eine Frage auf: Warum werden in Deutschland Meinungs- und Pressefreiheit durch die Verfassung besonders geschützt, wenn ohnehin kaum einer riskiert, an deren Grenzen zu gehen?

Die Redaktion von Charlie Hebdo hat für die unerschrockene Inanspruchnahme dieser Rechte einen hohen Preis bezahlt. Islamistische Terroristen haben bei einem Anschlag auf die Redaktion im vergangenen Jahr zwölf Mitarbeiter ermordet. Einige Wochen lang war es danach in Deutschland populär, mit dem Solidaritätsbutton herumzulaufen: „Je suis Charlie“. Das kann jetzt jeder beweisen. Charlie Hebdo startet mit einer Auflage von 200.000 Exemplaren.