"Hart aber fair" zu 68ern "Hart aber fair" mit Plasberg zu 68ern: Rainer Langhans setzt Autisten mit Antiautoritären gleich
Über die Sinnhaftigkeit des Themas „Unter grauen Haaren der Muff von 50 Jahren“ bei Frank Plasberg lässt sich sicher streiten. Er lud unter dem Titel zum Streit um das Erbe der 68er Generation. 50 Jahre nach den Protesten, den Kommunen und der sexuellen Revolution sollten seine Gäste darüber sprechen, ob Deutschland heute eine konservative Gegenrevolution braucht, um wieder ins Gleichgewicht zu geraten.
Die Gäste
Dorothee Bär, CSU
Die Staatsministerin für Digitalisierung ist der Meinung, dass die 68er-Bewegung nicht nur die politische Situation der BRD nicht verbesserte, sondern im Gegenteil, die Entwicklung sogar behinderte. Frau Bär eröffnete ihren Beitrag in der Talk-Show indem Sie sich über die Aussage Stefanie Lohaus’ entrüstete, sie habe unter anderem zur Absicherung ihrer Kinder geheiratet.
Die 68er und ihre Erben in der heutigen Zeit würden vor allem konservative Frauen unterdrücken, die sich für einen Lebensentwurf am heimischen Herd entscheiden wollen. Sie wollten sie „von der Entbindung direkt zurück ins Arbeitsleben“ schicken, da war sich die CSU-Politikerin sicher. Die Erinnerung an die 68er sei die „Verklärung eines Mythos, den es nie gab“.
Angesprochen auf die von Alexander Dobrindt ausgerufene (oder beschriebene, so Frau Bär) bürgerlich-konservative Revolution, unterstützte sie ihren Parteikollegen scheinbar überzeugt. Eindeutig eingeschossen hatte sie sich auf Rainer Langhans, warf ihm Pädophilie-Gedanken nebst genereller Verklärtheit und allgemeinem „dagegen“-sein vor.
Rainer Langhans
Mit Rainer Langhans hatte sich Plasberg den Vorzeige-68er ins Studio geholt. Stilecht mit grauen Locken und Leinenweste saß der Filmemacher, Schauspieler und Mitglied der Kommune 1 zwischen Michaela May und Klaus Wowereit und führte in bester Hippie-Manier Begriffe wie Liebe und Zärtlichkeit ins Feld.
Die harschen Vorwürfe von Dorothee Bär ließ er zunächst über sich ergehen und versuchte den aufklärerischen Gedanken der Kommune hervorzuheben. Um sich von der Kriegsgeneration der Eltern abzugrenzen, habe man versucht, den Nazi in sich zu bekämpfen, ihn mit friedlicheren Idealen zu ersetzen.
Vollends disqualifizierte er sich allerdings kurz vor Schluss der Sendung mit der Aussage, dass die Kinder, die damals in antiautoritären Kinderläden aufwuchsen, heute Autisten seien, was toll sei. Allgemeine Empörung im Studio und besonders bei Frau Bär. Langhans selbst sah aber ein, dass die Formulierung nicht günstig gewählt war, und stimmte Herrn Wowereit zu, als dieser ihn später darauf hinwies.
Michaela May
Die Schauspielerin, bekannt unter anderem aus dem Polizeiruf 110 als Jo Obermaier, hat gute Erinnerungen an die letzten Jahre der 60er, und bemüht sich, ihre Gesprächspartner auf die privaten Verbesserungen für die Familien aufmerksam zu machen.
Ihr Verhältnis zu Sexualität habe sich verändert, ebenso wie ihr Selbstverständnis als Frau. Außerdem sei es ein Anliegen der 68er gewesen, über den 2. Weltkrieg und den Holocaust aufzuklären. Eine Aufgabe, die die Schulen zu der Zeit vernachlässigten. Viel wichtiger als die Frage, wie es ohne die Proteste von damals jetzt wäre, sei doch die Frage, wie man heute Judenhass als wieder aufkommendes Thema verhindern könne.
Klaus Wowereit, SPD
Der ehemalige Berliner Oberbürgermeister wirkte für weite Strecken der Diskussion wie die Stimme der Vernunft. Natürlich könne man die einzelnen Bewegungen, Proteste und verschiedene Gruppierungen bewerten, aber man könne sie eben nicht ignorieren, so der SPD-Politiker. „Vieles, was Willy Brandt auf den Weg gebracht hat, wäre ohne die 68er nicht möglich gewesen. Man muss aber nicht alles gutheißen“, so Wowereit.
Wichtig war ihm der Punkt, keinem Einzelnen die Kritikmöglichkeit nehmen zu wollen. Er wolle nur darauf aufmerksam machen, dass die Bewegungen von vor 50 Jahren viel in Bewegung brachten, was die Gesellschaft nachhaltig formte.
Stefanie Lohaus
„Die 68er werden abgetan als Popkulturphänomen“, kritisierte Stefanie Lohaus den Umgang mit dem Thema und damit indirekt auch den Zugang der Sendung selbst. Mit der Aussage, die Parole „Wer zweimal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment“, sei der wichtigste Satz der 68er, reduzierte Plasberg die komplizierten Vorgänge von vor 50 Jahren zwischen verschiedenen Gruppen mit verschiedenen politischen Missionen auf einen eingängigen Slogan.
Den mitschwingenden Vorwurf Frau Bärs, Frau Lohaus habe nicht aus Liebe geheiratet, ließ die Herausgeberin des feministischen „Missy Magazine“ unkommentiert. Sie betonte mehrfach, dass es eben nicht „die 68er“ gäbe - ein Umstand, den die Runde zum Großteil ignorierte. Sie als Feministin sei den Vorgängen der sexuellen Revolution und der Emanzipation der Frau im Jahr 68 sehr dankbar.
Jan Fleischhauer
In einem eigenen Einspieler wurde die entbehrungsreiche Kindheit des Spiegel-Kolumnisten thematisiert, Plasberg gratulierte ihm mitfühlend zu seiner Mutter. Keine Zitrusfrüchte, Cola nur manchmal aber bestimmt keinen Spiderman-Comic in der Kindheit, ließen den Journalisten nicht in die Fußstapfen seiner sozialdemokratischen Eltern treten, und den 68ern skeptisch gegenüber stehen.
Trotzdem: „So zu tun, als hätten die 68er durchregiert, ist ja auch falsch“, so Fleischhauer zu Dobrindts Vorwurf, die Wortführer von damals hätten sich in einflussreichen Positionen festgesetzt und dort ein linkes Sprachrohr installiert, dass die Diskussionen in Deutschland dahingehend verzerre. Bei den 68ern sei aber „wahnsinnig viel Maulheldentum dabei“.
Plasberg
Der Moderator hatte seine liebe Mühe, Frau Bär davon abzuhalten, ihre Gegenredner niederzureden. Wie immer reagierte er sobald sich ein Zweiergespräch entwickelte unterbrechend, versuchte an anderer Stelle zu polarisierenden Aussagen anstacheln. Besonderes Mitleid hatte er mit Herr Fleischhauer ob seiner Kindheit ohne Spiderman. Ansonsten positionierte sich Plasberg eher zurückhaltend - seine Gäste sprachen auch auch engagiert genug.
Der Erregungsfaktor
Geht hauptsächlich auf die bekannte Diskussion zwischen Liberalen und Konservativen zurück. Wie eine ideale Familie aussieht, ob man sich weigern darf, Frauen die Hand zu geben und mit wie man seine Kinder am besten erzieht, hätte auch unter einigen anderen Fragestellungen diskutiert werden können.
So allgemeingültig das Thema auch ist, so hitzig ist auch die lange bestehende Debatte darum. Dementsprechend sah der Zuschauer aufbrausende Gemüter im Studio der ARD zu einer Frage, die die Gäste nicht abschließend beantworten konnten.