"Hart aber Fair" zum Lübcke-Mord "Hart aber Fair" mit Frank Plasberg zum Lübcke-Mord: Nur AfD-Mann Uwe Junge profitiert von Talk über rechte Gewalt

Köln/Berlin - Kopfschuss. Der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke wird am 2. Juni vor seinem Wohnhaus hingerichtet. Der mutmaßlicher Täter? Der Rechtsextremist Stephan E., der die Tat vor einigen Tagen zugeben hat. Die Bundesanwaltschaft stuft den tödlichen Angriff als politisches Attentat ein.
Die Tat hat die politische Debatte aufgewirbelt. Solidarität und Mitgefühl, Wut und Unverständnis bestimmen den Diskurs. Der Fall Walter Lübcke schürte die Fragen neu an: Ist der Rechtsstaat wehrhaft genug gegen rechten Terror? Reichen rechte Netzwerke wirklich bis in Polizei und Bundeswehr? Und wer bereitet den Mördern das Feld mit Polemik und Hassbotschaften? Diese Fragen wirft „Hart aber Fair“-Moderator Frank Plasberg am Montag auf.
Ein Gast – AfD-Politiker Uwe Junge – wurde jedoch bereits vor der Sendung massiv kritisiert. Viele Menschen stellten sich gegen die Einladung des Rechtspopulisten, der als Merkel-Hetzer und provokant gilt. Der Comic-Zeichner Ralph Ruthe forderte, dass die Rechtspopulisten keine Bühne mehr bekommen und die Sendung boykottiert werden sollte. Dafür bekam er tausende Likes.
Sowohl für Moderator Plasberg als auch die geladenen Gäste stand Junge früh als Debattengegner fest. Problematisch: Junge, der nun gegen vier Gäste und einen Moderator argumentierte, bekam deutlich mehr Redezeit als alle anderen.
Die Gäste – und ihre Standpunkte
Herbert Reul (CDU, NRW-Innenminister), der zwischen 2004 und 2017 im Europäischen Parlament tätig war, gilt als Verfechter einer starken Polizei. Für Nordrhein-Westfalen hat er große Investitionen bis zu einer Milliarde Euro zur Stärkung der Einsatzkräfte geplant und teilweise auch durchgesetzt. Er positionierte sich mehrfach gegen radikale Gewalttäter – links wie rechts.
Reul zeigte sich zu Beginn der Sendung überrascht, dass die hetzerischen Worte zum Mord wurden: „Die ist eine neue Dimension, politischen Mord haben wir in Deutschland noch nicht erlebt“, so Reul. Hetzerische Beiträge auf einer Facebook-Seite der AfD zu Walter Lübcke sah Reul äußerst kritisch: „Die AfD ist als Betreiber der Seite alleine schuld und verantwortlich, dass die Beiträge nicht gelöscht wurden.“
Zu rechten Tendenzen in der Polizei kündigte Reul Handlungen an: „Wer nicht mit beiden Beinen auf dem Grundgesetz steht, hat bei der Polizei ein Problem. Der Großteil der Polizisten macht einen Super-Job. Wir kümmern uns.“
Georg Mascolo (Journalist) arbeitete von 1988 bis 2011 auch als Chefredakteur, des „Spiegel“. Seit 2014 leitete er das Investigativressort von „NDR“, „WDR“ und „Süddeutscher Zeitung“. Bei der ARD wird er als Terrorismus-Experte eingesetzt.
So erschreckend der Mord an Walter Lübcke ist, Mascolo fand es ermutigend, dass nun umfassend rechten Netzwerke untersucht werden sollen. Mascolo versuchte in der Debatte weiter herauszuzoomen: „Es geht nicht um einzelne Politiker“, es gehe viel mehr um eine breite Position in der Partei: „Gewalt bedeutet auch gewalttätige Rede“, so Mascolo.
Uwe Junge (AfD) ist Vorsitzender der AfD-Landtagsfraktion Rheinland-Pfalz. Seine politische Karriere begann er 1975 in der CDU. Seit 2013 ist er Mitglied der Alternative für Deutschland. Junge sorgte im Dezember 2017 für Schlagzeilen, als er via Twitter schrieb: „Der Tag wird kommen, an dem wir alle Ignoranten, Unterstützer, Beschwichtiger, Befürworter und Aktivisten der Willkommenskultur im Namen der unschuldigen Opfer zur Rechenschaft ziehen werden! Dafür lebe und arbeite ich. So wahr mir Gott helfe!“
„Uns eine Mitschuld an dem Mord von Lübcke zu geben, ist infam und hetzerisch“, sagte der in der Runde rechtsaußen-sitzende Politiker. Junge betonte direkt zu Beginn der Sendung, dass sich die AfD deutlich gegen Gewalt und den Mord an Lübcke abgegrenzt habe. Doch schon im nächsten Satz ruderte er herum, dass auch linksextremistischer Terror thematisiert werden müsse.
Moderator Plasberg versuchte früh Junge, aus der Reserve zu locken und auf hetzerische Äußerungen der rechtspopulistischen Partei aufmerksam zu machen. Wand sich Junge zunächst noch aus der Konfrontation, machte ein Einspieler deutlicher, wie rechte Kommentare – auch durch die AfD – gegen Walter Lübcke zielten.
Junge blieb danach nichts übrig, als seine Rolle in der Debatte anzunehmen. Vermutlich fand er sie sogar gar nicht schlecht. Er versuchte, sich als konservativer Demokrat zu positionieren, legte ein gutes Wort für Behörden wie Polizei und Verfassungsschutz ein und beharrte auf der Meinungsfreiheit – auch der rechten. Er behielt auch das letzte Wort in der Diskussion. Der Applaus blieb jedoch aus.
Irene Mihalic (B'90/Grüne) ist Innenpolitische Sprecherin der Grünen und ärgerlicherweise die einzige Frau in der Talk-Runde. Außerdem ist Mihalic Polizeioberkommissarin, die ihre Ausbildung nach den rechtsextremistischen Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen begonnen hat.
„Die Gefahr von Rechts ist so groß wie noch nie zuvor“, sagte Mihalic. Sie fordert, dass die Behörden stärker gegen Hetze und Gewalt vorgehen. Ähnlich wie Mascolo forderte sie eine stärkere Analyse des Rechtsextremismus: „Die Netzwerke und Strukturen sind möglicherweise viel größer als wir es jetzt erkennen können.“
Mehmet Daimagüler ist Strafverteidiger und wurde als erstes Bundesvorstandsmitglied der FDP mit türkischen Wurzeln bekannt – 2007 trat er aus der Partei aus. Außerdem vertrat Daimagüler als Anwalt im NSU-Prozess Opferangehörige als Nebenkläger und arbeitet als Hochschuldozent für Polizeibeamte in Grund- und Menschenrechten.
In seinem Eröffnungsstament mahnte Daimagüler, nicht zu vergessen: „Wenn etwas passiert, dann wird kritisiert, gemahnt und einige Wochen herrscht Wirbel. Doch dann wird das Thema wieder abgelöst.“ In der Debatte mit AfD-Mann Junge wurde Daimagüler zum schärfsten und emotionalsten Kritiker – und erntete dafür Applaus. Auf Daimagülers Frage „Warum sprechen sie von Volksverhetzung?“, gab Junge keine Antwort.
Außerdem kritisierte Daimagüler den Verfassungsschutz: „Auf dem rechten Auge hat der Verfassungsschutz fortgeschrittenen grauen Star.“ Er widersprach zudem auch Herbert Reul, der von verborgen agierenden Einzeltätern im Rechtsextremismus sprach. „Herr Reul, gucken Sie sich Aufnahmen von einem beliebigen Neonazi-Konzert an. Da ist nichts verborgen.“
Was haben wir gelernt?
Die Einladung des AfD-Politikers Uwe Junge hat bereits vor der Sendung für Kritik gesorgt: In sozialen Netzwerken forderten viele, dass die Rechtspopulisten nicht als Gäste in Talkshows zu Wort kommen sollten. Dies wurde auch von Plasberg selbst thematisiert. Die kritischen Kommentare zur Einladung des AfD-Manns wurden gezeigt, verhandelt und besprochen. Und die Frage, ob nicht nur über, sondern auch mit der AfD geredet werden sollte, ist schwierig. Eine Ausgrenzung könnte die Abkapselung und das "Wir-gegen-Die"-Gefühl, das manche Rechtspopulisten propagieren, stärken.
Doch zur Erinnerung, das Thema der Sendung lautete: „Aus Worten werden Schüsse – wie gefährlich ist rechter Hass?“. Diese Frage wurde nicht geklärt. Das mag an der Komplexität des Themas liegen. Wohl aber auch, weil die Diskussion der vom Rechtspopulisten Junge hervorgebrachten Thesen mehr Zeit in Anspruch nahm, als die eigentliche Frage. Diese Sendung war nur für einen Teilnehmer ein Gewinn.
