"Hart aber fair"-Kritik "Hart aber fair"-Kritik: Birgit Fischer gerät bei Pharma-Diskussion mit Frank Plasberg in Erklärungsnot

Das Thema
Unter dem Titel „Heilung um jeden Preis? - Wie teuer darf Medizin sein?“ sollte es die Frage verhandelt werden, ob bei Hoffnung auf Heilung Geld eine Rolle spielen darf. Schließlich sind gerade neue, effektive Medikamente außerordentlich teuer. Tatsächlich ging es um eine etwas andere Frage: Wie unmoralisch verhalten sich eigentlich Pharma-Unternehmen? Vielleicht ahnen Sie die Antwort.
Die Antwort
Fällt wenig überraschend aus: Es geht um Gewinnmaximierung, nicht um den hippokratischen Eid.
Die Gäste
Birgit Fischer, früher mal Gesundheitsministerin in NRW, heute als Hauptgeschäftsführerin des Verbands forschender Arzneimittelhersteller Pharma-Lobbyistin, musste antreten gegen:
Wolfgang Huber, ehemals Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg und Mitglied des nationalen Ethikrates.
Den Onkologen Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der Arzneimittelkommission.
Den SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach.
Und Marion Ring, Vizepräsidentin im Bundesverband der Deutschen Rheuma-Liga, die selbst an Rheuma und Laukämie erkrankt war.
Birgit Fischer kontert Wolfgang Huber
Da hatte Frau Fischer also keinen einfachen Stand. Ex-Bischof Huber wetterte gegen den Patentschutz auf neue Medikamente. Durch den werde ein Monopol hergestellt, das letztlich doch Solidargemeinschaft bezahle.
Fischer konterte mit den Kosten der Forschung für die Unternehmen. Musste aber einräumen, dass die Grundlagenforschung an den Universitäten geleistet wird. Mehr dazu später.
Die Forschung könne aber nicht rechtfertigen, ereiferte sich Lauterbach, dass ein neues Medikament das zehnfache des von ihm abgelösten Produktes koste.
Medikamente wirkten immer spezifischer, würden daher auch für einen viel kleineren Kreis von Patienten eingesetzt, entgegnete Fischer.
Bringen Wunder-Medikamente die Heilung?
Dafür aber hatte nun Moderator Frank Plasberg ein Gegenbeispiel. „Harvoni“ und „Solvadi“ (wer denkt sich eigentlich diese Namen aus?), zwei neue Wunder-Medikamente mit denen erfolgreich die Lebererkrankung Hepatitis C behandelt werden kann. An der leiden weltweit rund 80 Millionen Menschen. Doch die wenigsten können sich die Kosten von 57.000 Euro pro Therapie leisten. Der Hersteller Gilead habe indes mit seinen neuen Produkten bereits 17 Milliarden Dollar Umsatz gemacht. Auch habe der das Medikament nicht selbst entwickelt, sondern das Patent für 11 Milliarden Dollar gekauft. „Ein schwieriges bis schweinisches Verhalten“, kommentierte Plasberg.
Und wieder war Birgit Fischer in Erklärungsnot. Das Unternehmen habe verschiedene Preise für verschiedene Länder ausgehandelt. Aber dass, so Lauterbach, ändere nichts daran, dass in Afrika und Indien nur fünf Prozent der Betroffenen in den Genuss des Medikaments kämen.
Und so ging es immer weiter. Aber ohne Schaum vorm Mund und mit durchaus differenzierten Blick auf die ebenfalls ethisch gebotene Pflicht zum wirtschaftlich vernünftigen Handeln. Sogar für Birgit Fischers Rolle in der Debatte wurde Verständnis geäußert. So was passiert in aufgeheizten Islam-Debatten nie. Aber dennoch endeten die meisten Wortbeiträge mit dem Vorwurf des unethischen Verhaltens der Pharma-Konzerne.
Der Moderator
War zurückhaltend und doch alert, forderte sanft Klarheit, wenn die Experten das Fernsehpublikum vergaßen und zitierte sogar den großen deutschen Schriftsteller Wolfgang Herrndorf, der sich im Tagebuch seiner tödlichen Krebserkrankung emphatisch beim deutschen Gesundheitswesen für die Errettung und Erhaltung einer (seiner) flackernden Kerze bedankt hatte.
Das Wort der Sendung
Anwendungsbeobachtung. Bedeutet: Dass Ärzte ihren Patienten ein bestimmtes Medikament verschreiben und Daten zu dessen Wirkung für den betreffenden Pharma-Konzern erheben. Dafür bekommen sie eine Aufwandsentschädigung. Das bedeutet aber auch, dass Ärzte vielleicht lieber ein Medikament verschreiben, bei dem ein solches Zusatzgeld winkt. Was Karl Lauterbach eine legale Form der Korruption schimpft.
Die Zahl der Sendung
Eine 10 Milliliter-Flasche des Krebsmittels Opdivo kostet 1703 Euro. Damit, rechnet Plasberg vor, sei es fünf Mal teurer als die entsprechende Menge Gold. Es ist aber auch sehr viel nützlicher. Hätten wir jetzt gesagt, säßen wir auf Birgit Fischers Platz.