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"Hart aber fair"  "Hart aber fair" : Gesine Schwan will Solidarität in Europa notfalls erkaufen

Von Michael Kohler 22.02.2016, 22:46
Beinahe-Bundespräsidentin Gesine Schwan.
Beinahe-Bundespräsidentin Gesine Schwan. imago stock&people

Köln - Weil Angela Merkel ihre angekündigte Zwischenbilanz der Flüchtlingspolitik schuldig geblieben ist, versuchte Frank Plasberg einzuspringen. Der Titel: „Merkels Zwischenbilanz: Kanzlerin der leeren Hände?“ gab die Richtung vor, und Plasberg fragte gespielt entgeistert in die Runde: Was ist nur los in diesem Land?

Die durften mitreden

Jens Spahn (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen, fragte sich, gemünzt auf die jüngsten Ereignisse in Sachsen, wie "diese Leute" abends noch in den Spiegel sehen können? Und konzedierte dann, dass die Deutschen nicht wirklich gut erprobt in Krisen sind. Außerdem will er eine "harte aber ehrliche Botschaft" an die Armen und Gebeutelten dieser Welt senden: "Wir verstehen Euch, aber das Geld für den Schlepper ist zum Fenster raus geschmissen." Später sagte er zu Plasberg: "Sie wollen doch Realismus in der Politik und keine Traumschlösser."

Katja Kipping, Parteivorsitzende der Linken, stammt aus Sachsen und musste zu Beginn ihre Landsleute verteidigen. Vielleicht wirkte sie deswegen den Rest der Sendung leicht verkniffen. Ihre Hauptthese: Wir wälzen die Verantwortung für die Flüchtlinge auf die südlichen Euroländer ab.

Wilfried Scharnagl, den älteren noch als Chefredakteur des "Bayern-Kurier" und Sprachrohr von Franz Josef Strauß bekannt lobte Bayern wie in einem CSU-Werbespot und gab sich anfangs staatsmännisch: "Wer in dieses Land kommt, hat Anspruch darauf, anständig behandelt zu werden." Später ging es dann etwas mit ihm durch und der Untergang des Landes rückte nahe. Am Ende lief er zu großem Pathos auf und rief sinngemäß: Frau Merkel, widerrufen Sie!

Gesine Schwan (SPD), Beinahe-Bundespräsidentin, beklagte, dass sich Deutschland und Europa entsolidarisiert haben: "Die deutsche Regierung hat es den anderen EU-Ländern vorgemacht." Sie will die Flüchtlingsfrage europäisieren, aber nicht nach dem Sankt-Florians-Prinzip. Ihre (Not-)Lösung: Die Solidarität der anderen EU-Länder notfalls erkaufen.

Wolfram Weimer, Verleger des Debattenmagazins "The European", sah alles in der Krise: die Gesellschaft, die Regierung, Europa, nur die Freundschaft zwischen Merkel und Julia Klöckner nicht. Die säßen jetzt wohl gemeinsam beim Riesling, sinnierte er. Ihn gruselt es davor, dass Merkel alles auf die Karte Türkei setzen muss. Merkel und Deutschland seien durch Erdogan erpressbar.

Wie hoch war der AfD-Faktor?

Wenig Geschrei, wenig Tumult, keine Deutschtümelei. Die AfD musste leider draußen bleiben. Inhaltlich gab es bei Scharnagl noch die größte Übereinstimmung. Eine Kostprobe: "Ein Land, das seine Grenzen nicht mehr kontrollieren kann, ist kein Staat mehr."

So war Plasberg

Der Moderator fiel nur anfangs unangenehm auf, als er auf das Sächsische im Fremdenfeind hinauswollte. Danach hakte er gut nach, sorgte für Debattendisziplin, ohne deswegen gleich als unparteiisch gelten zu können. Für ihn steuert Merkel einen "Kurs der Hoffnung", er glaubt, die deutschen Bürger vermissen bei der Kanzlerin vor allem den "Anflug eines Konzepts".

Sind wir jetzt schlauer?

Nicht wesentlich. Aber wer noch nicht wusste, dass mit Erdogan nicht gut verhandeln ist, der weiß es jetzt. Jens Spahn brachte uns zudem diese Erkenntnis: "In Afrika ist jeder zweite unter 20, und die sehen alle auf ihren Smartphones, wie wir hier leben. Das lässt sich nur gesamteuropäisch lösen." Es bleibt kompliziert.