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Frieden, Liebe und Death Metal „Bataclan“-Film: „Nicht überleben, sondern leben“

Den Terror haben sie überlebt. Der spanische Regisseur Isaki Lacuesta hat den Schrecken der „Bataclan“-Nacht in einem Film verarbeitet. Wie umgehen mit dem Trauma?

Von Julia Kilian und Gerd Roth, dpa Aktualisiert: 21.12.2022, 18:25
Sie gehen durch die Hölle: Céline (Noémie Merlant) und Ramón (Nahuel Pérez Biscayart).
Sie gehen durch die Hölle: Céline (Noémie Merlant) und Ramón (Nahuel Pérez Biscayart). Studiocanal/dpa

Berlin/Paris - Ein Glitzern und Flirren in der Nacht. Es wirkt wie Sternenstaub. Doch die Kamera lässt schon bald ein durch die Dunkelheit irrendes Paar erkennen. Mit einer Isolierfolie versuchen sie, sich vor der kalten Pariser Nacht zu schützen.

Es ist der 13. November 2015. Beide sind dem Anschlag im „Bataclan“ entkommen. Der spanische Regisseur Isaki Lacuesta hat den Terror der Nacht zur Grundlage seines Film „Un año, una noche“ („Frieden, Liebe und Death Metal“) gemacht.

Bei der Anschlagserie erschossen Terroristen während eines Konzerts im „Bataclan“ sowie in Bars und Restaurants des beliebten Szene-Viertels 130 Menschen. Es gab 350 Verletzte. Am Stade de France sprengten sich zudem während eines Fußball-Länderspiels zwischen Frankreich und Deutschland drei Selbstmordattentäter in die Luft.

Der Stoff steckt in mehreren Filmen. Auch „Meinen Hass bekommt ihr nicht“ nach einem Buch von Antoine Leiris, dessen Partnerin Hélène im „Bataclan“ getötet wurde, läuft aktuell in den Kinos.

Im Berlinale-Wettbewerb

Lacuesta konnte für seinen Film auf die Erlebnisse und Eindrücke des „Bataclan“-Überlebenden Ramón Gonzalez zurückgreifen, der mit seinem Bericht über den Konzertbesuch die Vorlage geliefert hat. „Es war ein sehr emotionsgeladener Dreh“, berichtet der Regisseur während der Berlinale in Berlin, wo sein Film in diesem Jahr im Wettbewerb lief.

Die Geschichte erzählt von Céline (Noémie Merlant) und Ramón (Nahuel Pérez Biscayart). Das Paar verbringt sein junges Leben gemeinsam in der französischen Hauptstadt. Die Liebe ist leicht und unkompliziert. Es geht so weit, dass er ihr Karten für ein Konzert schenkt. Denn eigentlich mag er die Eagles of Death Metal gar nicht.

Lacuesta und das Team drehten am Originalschauplatz im „Bataclan“, was dem Film beklemmende Momente verleiht. Die akustische Gewalt der Terrorszenen tut ihr Übriges. So zufällig, wie Céline und Ramón in den Überfall geraten, so glücklich überleben sie den Anschlag.

Wie umgehen mit dem Erlebten?

Die Folgen verarbeiten beide sehr unterschiedlich. Céline möchte in ihr altes Leben zurück, will die Horrornacht vergessen, verdrängt und leugnet das selbst Erlebte. Ramón kann sich aus den Erinnerungen nicht befreien. Er will sich dem Schrecken stellen. Oder kommt nicht davon los. Die tiefen Spuren in ihren Leben scheint die beiden Liebenden zu entzweien, die zwei Ebenen werden für das Paar zunehmend zum Spagat.

Der Film zeigt auch andere verstörende Blickwinkel. Kollegen stehen vor der Frage, wie sie in einer solchen Situation helfen könnten. Ihr Weg: „Wir haben ein bisschen was gesammelt. Damit du dir was Schönes kaufen kannst.“

Regisseur Lacuesta sucht Verständnis für seine Protagonisten unter Verweis auf die individuellen Erlebnisse: „Man kann Erfahrungen nicht teilen.“ Ein Gefühl der Normalität zurückzugewinnen und die Rolle des Opfers abzulegen sei nicht einfach. Lacuesta sieht auch Gemeinsamkeiten der Opfer: „Sie wollen nicht überleben, sondern leben!“

Frieden, Liebe und Death Metal, von Isaki Lacuesta, mit Nahuel Pérez Biscayart, Noémie Merlant, Quim Gutiérrez, Alba Guilera, u.a., Spanien/Frankreich 2021, 100 Min., FSK12