"Anne Will" zu #metoo Anne Will zu sexueller Belästigung und #metoo: Auch Verona Pooth erlebte Sexismus im Showbusiness

Seit dem 5. Oktober – und für die mediale Aufmerksamkeitsspanne vergleichsweise lange – diskutiert Hollywood, aber auch ganz Europa über die Harvey Weinsteins dieser Welt. „Das ist kein Hollywood-Problem“, stellt Laura Himmelreich zu Beginn klar. Der Einspieler macht es deutlich: Rücktritte in Österreich und Großbritannien, Kevin Spacey soll aus einem Film herausgeschnitten werden, nach Missbrauchsvorwürfen gegen ihn.
Was ist passiert, dass so viele Frauen und Männer ihr Schweigen brechen? Die Frage beantworten soll Heike-Melba Fendel, die als Künstleragentin berühmte Schauspielerinnen wie Maria Furtwängler betreut. Fendel sagt, PR-Strategen stünden dahinter. Sie würden Künstlerinnen mittlerweile sagen, dass es ihnen und ihrer Karriere nicht schade, wenn sie sich outeten.
„Kein Star outet sich mit etwas, das seinem Image schadet“
Sofort kommt Widerspruch von Ursula Schele, die an diesem Abend den Bundesverband der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe vertritt und im Laufe des Abends bisweilen ein wenig daher kommt, als wolle sie ihrer Sitznachbarin Fendel einen Grundkurs in Begriffen wie Sexismus oder Patriarchat geben. „Ich finde es seltsam, den Frauen ein gewisses Kalkül zu unterstellen“, sagt sie. Jede Frau, auch eine Schauspielerin, habe das Recht auf körperliche Unversehrtheit.
Fendel, die sich zwar in der Tat missverständlich ausgedrückt hatte, verteidigt sich: Sie habe nur den Ist-Zustand beschrieben. „Kein Star oute sich mit etwas, von dem er sich nicht sicher ist, dass das nicht seinem Image schadet.“ Fendel sorgt im Laufe der Diskussion noch für weitere Verwirrung, etwa wenn sie sagt, Zuschauer müssten sich nicht schämen, einen Künstler gut zu finden, der verdächtigt werde, jemanden missbraucht zu haben. Ursula Schele guckt fassungslos.
Verona Pooth spricht von Heuchelei in Hollywood
Werbeikone und Moderatorin Verona Pooth stellt die These auf, dass es kein Zufall sei, dass kurz nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe gegen Weinstein auch Vorwürfe gegen Kevin Spacey laut wurden. Sie vermutet ein Ablenkungsmanöver, das von Harvey Weinsteins Beratern lanciert wurde. Sie sagt, es sei „Heuchlerei“, dass all die Jahre nichts gesagt wurde. Dabei habe doch die ganze Welt, „alle, die wir hier sitzen“, von sexuellen Übergriffen gewusst.
Wie es ihr gelungen sei, mit ihrem Aussehen zu kokettieren und trotzdem für Männer eine Grenze zu ziehen, möchte Anne Will wissen. Pooth hatte in den 1990er-Jahren die Erotiksendung „Peep“ moderiert. Pooth sagt, selbst auch Sexismus erlebt zu haben, auch „in solche Situationen“ geraten zu sein.
FDP-Politiker offenbart flammenden Feminismus
Die Debatte plätschert vor sich hin, Verona Pooth verweist darauf, dass auch Männer von Sexismus betroffen sind, Anne Will darauf, dass in der #MeToo-Debatte oft Alltagssexismus und sexuelle Gewalt vermischt werden. Zehn Minuten sind vergangen, da spricht Himmelreich den niedrigen Anteil von Frauen im Bundestag an. Nach 15 Minuten darf auch der einzige Mann in der Runde, der einstige Innenminister Gerhart Baum (FDP) endlich etwas sagen.
Baum kristallisiert sich als einer der stärksten Redner der Runde heraus. Der FDP-Politiker offenbart einen flammenden Feminismus, bringt immer wieder historische Beispiele an, etwa dass Vergewaltigung in der Ehe erst seit 1997 strafbar ist. Sexismus sei „ein Angriff auf die Menschenwürde“, sagt Baum und fordert: „Wir brauchen einen Mentalitätswechsel“. „Das klappt da auch nicht“, sagt der 85-Jährige über den Frauenanteil der FDP im Bundestag. „Ich würde meiner Partei gerne eine Quote verordnen.“
Baum sagt, er wundere sich, dass die Sexismus-Diskussion immer wieder aufbreche und dann wieder abebbt. Laura Himmelreich stellt immerhin fest, dass die Sendung bei Anne Will vor fünf Jahren noch hieß „Aufschrei – Hysterisch oder notwendig?“. Damals sei noch die Frage gestellt worden, ob unsere Gesellschaft überhaupt sexistisch sei. Was sich mittlerweile geändert hat, beschreibt Himmelreich so: „Die Debatte wird mit einer anderen Ernsthaftigkeit geführt.“