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1Live-Krone 2016 1Live-Krone 2016 für Jürgen Domian: Stehende Ovationen für Telefonseelsorger

Von Thorsten Keller 02.12.2016, 08:25
Jürgen Domian und Klaas Haufer-Umlauf bei der 1Live Krone.
Jürgen Domian und Klaas Haufer-Umlauf bei der 1Live Krone. Getty Images Europe

Bochum - Ein paar Minuten, bevor es losgeht mit der Echtzeit-Übertragung im WDR-Fernsehen, gibt in der Bochumer Jahrhunderthalle der Intendant des Senders, Tom Buhrow, den Grüßonkel fürs Saalpublikum. Demonstrativ underdressed (offenes weißes Hemd, graue Sneaker zum dunklen Anzug), erklärt Buhrow feierlich den ungebremsten Stolz des WDR auf 1Live und weiß auch die unstrittige Erfolgsformel der Jugendwelle: „Ihr habt ganz früh auf deutschsprachige Künstler gesetzt – zu einem Zeitpunkt, als die fast niemand im Radio spielen wollte.“

Glamourfaktor mit Klaas

Dann ist es 20.15 Uhr, Showtime bei der 1Live-Krone, und demonstrativ overdressed erscheint der Gastgeber des Abends, der vom Privatfernsehen ausgeliehene Klaas Heufer-Umlauf: Weißer Smoking, Glitzerweste drunter, die schwarzen Lackschuhe auf Hochglanz poliert. Mit der WDR-Bigband im Rücken singt er den 80er-Jahre-Klopper „Gold“ von Spandau Ballett, da fehlt nur die Showtreppe, ansonsten ist der Glamourfaktor ziemlich hoch.

Danach führt Heufer-Umlauf straff und souverän durch die Show, die am Ende nur vier Minuten länger dauert als die eingeplanten anderthalb Stunden.

Clueso ist „bester Künstler“

Bei den Preisen gibt es kaum Überraschungen. Dass sich Max Giesinger mit seinem Song über die Liebe als Sechser im Lotto („80 Millionen“) die Krone für die beste Single abholt, ist nur ein Spiegelbild der 1Live-Playlist vom letzten Jahr, alleine der ebenfalls nominierte Mark Forster („Wir sind groß“) ging ähnlich oft über den Sender. Als „bester Künstler“ wird mit Clueso ein erklärter 1Live –Liebling der jüngeren Vergangenheit geehrt.

Schon eher, naja seltsam, mutet der Sieg der 257ers in der Kategorie „beste Band“ an. Die Jungs haben Furore gemacht mit einem albernen Ohrwurm („Ich und mein Holz“). Das Ein-Hit-Wunder hört sich allerdings, das ein gelungenes Experiment in der Show, ziemlich funky an, wenn die WDR-Bigband es spielt. Die wiedervereinten Beginner gehen hier ebenso leer ausgehen wie in der HipHop-Sparte (dort triumphieren Bonez MC & Raf Camora – sagen wir mal: Goldkettchen zum Fremdschämen). Wie absurd diese Wahl eigentlich ist, beweisen die ewigen Hamburger am Ende der Show: Mit der Bigband im Rücken (und mit Samy Deluxe als Gastsänger an der Seite von Jan Delay) spielen die Beginner ein furioses Medley ihrer größten Hits.

„Pascha des Monats“

Nur für das Protokoll: K.I.Z. werden - absolut nachvollziehbar – als bester Live-Act prämiert, und der tanzende Kölner Youtuber Julien Bam (drei Millionen Abonnenten) setzt sich die Video-Krone auf. Das macht unterm Strich: sechs von den 1-Live-Hörern per Online-Voting gekürte Preisträger, keine einzige Frau dabei. Dieser Umstand ist auch Klaas Heufer-Umlauf einen ironischen Seitenhieb wert. Vielleicht qualifiziert sich der Sender damit auch mal für den „Pascha des Monats“. Diesen renommierten Medienpreis der Zeitschrift „Emma“ hat Luke Mockridge schon – am Donnerstagabend kam für Bonns Antwort auf Mario Barth dann noch die Comedy-Krone dazu. Der Preisträger in dieser Kategorie wird von der Redaktion des Senders bestimmt, das gilt auch für den Sonderpreis. Und der war nie so verdient wie heute.

Domian wird gefeiert

Kurz nach halb Zehn, also dreieinhalb Stunden vor seiner normalen Bühnenzeit, gibt es in Bochum stehende Ovationen für Jürgen Domian. Der öffentlich-rechtliche Telefonseelsorger hat in den vergangenen 21 Jahren etwa 25.000 Anrufer verarztet, das ist ein beeindruckendes Lebenswerk. 1Live-Kollegin Sabine Heinrich trifft in ihrer Laudatio genau den richtigen Ton, als sie über die schwer vorstellbare Zukunft OHNE Domian (letzte Sendung am 16. Dezember) spricht: „Da ist eine Lücke in der Nacht, die wir kaum mit Schlaf füllen können.“

Domian bedankt sich in seiner Rede vor allem beim damaligen Intendanten Fritz Pleitgen, der ihn 1995 mahnte, sich „an die WDR-Gesetze und die allgemeinen Gesetze“ zu halten, und ihm ansonsten freie Hand ließ. Die Krone widmete er seiner Redaktion. Das Schmuckstück parkte dann während der rauschenden Aftershow-Party auf der Theke der „Jahrhundertbar“ im Foyer der Halle, während Domians langjährige Mitarbeiter ihren erheblichen Trennungsschmerz mit Rum-Mixgetränken herunterspülten.