TV-Tipp "Gott hat hohe Nebenkosten " TV-Tipp "Gott hat hohe Nebenkosten ": Der Staat als Zahlmeister

Laut Grundgesetz ist die Bundesrepublik Deutschland ein säkulares Land, Staat und Kirche sind prinzipiell voneinander getrennt. Dass das de facto nur auf dem Papier so ist, zeigt die vielfach preisgekrönte Journalistin Eva Müller in ihrer Doku „Gott hat hohe Nebenkosten“, (Freitag, 3Sat, 20.15 Uhr). Rund zehn Milliarden Euro nehmen die beiden großen christlichen Kirchen jedes Jahr an Kirchensteuer ein. Von diesem Geld bezahlen die katholische und evangelische Kirche ihre Priester und Pfarrer, ihre Mitarbeiter im kirchlichen und seelsorgerischen Dienst und sie tragen Sorge dafür, das Kirchengebäude instand gehalten werden.
Eva Müller recherchiert, dass weniger als zehn Prozent des Geldes, das die Kirchen einnehmen, tatsächlich abseits der Seelsorge in öffentliche soziale Einrichtungen fließt. Für rund 90 Prozent kommen Bund, Länder, Kommunen und Sozialversicherungsträger auf – und somit auch Menschen, die aus der Kirche ausgetreten sind. Kirchlich geführte Einrichtungen wie Krankenhäuser, Kindergärten, Schulen und Altenheime werden zum großen Teil vom Staat finanziert: die Wohlfahrtsverbände der Kirchen, Caritas und Diakonie, bezahlt der Staat, wie Eva Müller aufdeckt, zu 98 Prozent, öffentlichen Konfessionsschulen gar komplett.
Die Kirche bestimmt die Regeln, der Staat zahlt
Ähnlich sieht es bei christlichen Krankenhäusern und Altenheimen aus; sie werden genauso öffentlich refinanziert wie die private oder kommunale Konkurrenz. Wo Kirche drauf steht, ist – rein finanziell – sehr oft der Staat drin, und trotzdem bestimmen die Kirchen als zweitgrößter Arbeitgeber des Landes (der größte ist der Staat BRD), nach welchen Regeln und Moralvorstellungen Einrichtungen geführt werden, die unter ihrem Namen laufen.
Ein besonders krasses Beispiel dafür, welche Sonderechte der Staat der Kirche einräumt, ist der Fall von Bernadette Knecht. Der Leiterin eines Kindergartens in Königswinter wurde gekündigt, weil sie sich von ihrem Mann trennte und zu ihrem neuen Partner zog. Die Kündigung wirkt umso absurder, weil der „Katholische Kindergarten St. Margareta“ eine Einrichtung ist, die zu 100 Prozent aus öffentlichen Mitteln finanziert wird. Pfarrer Udo Maria Schiffers war offiziell Bernadette Knechts Vorgesetzter, bezeichnete sie wegen ihres Ehebruchs als „öffentliches Ärgernis“ und kündigte ihr.
In seiner Kirchentreue, die er mit größtmöglicher Weltfremdheit paart, ist Pfarrer Schiffers konträrfaszinierend, und einigermaßen bizarr ist auch, was nach Bernadettes Knechts Entlassung passierte: Eine Elterninitiative wehrte sich gegen die Kündigung der beliebten Kindergärtnerin und erreichte nach diversen Auseinandersetzungen, dass die Stadt Königswinter einen neuen Träger einsetzte. Verantwortlich ist jetzt die liberalere, weltoffenere evangelische Kirche; der Zahlmeister bleibt der alte. Es ist: der Staat.
Sehenswerte Doku, in der Eva Müller anhand weiterer Beispiele zeigt, welche seltsamen Sonderrechte die Kirche hat, woher sie ihr Geld bekommt und was sie damit macht.
