TV-Kritik zu "Maybrit Illner" TV-Kritik zu "Maybrit Illner": Unser Mann in Moskau und andere Geschichten über Verrat

Köln/MZ - Vertrauen ist der Anfang von allem, lautete einmal der Werbeslogan einer großen deutschen Bank. Aber wenn das Vertrauen gebrochen ist, so kann man heute ergänzen, geht es erst richtig los. Und so erweisen sich momentan die aneinandergereihten Fernsehformate als Dauerbesprechung über enttäuschte Freundschaften, gesteigertes Misstrauen und den bevorstehenden Untergang des amerikanischen Imperiums.
Ist es noch „Heute-Journal“ oder bereits „Illner“ oder schon „Lanz“? Die Frage muss sich nicht mehr nur derjenige stellen, der zwischendurch einnickt bei den Versuchen, das große Abhören als politische Dauerverschwörung zu dramatisieren.
Und so fährt Maybrit Illner fort, wo das „ZDF-Heute-Journal“ aufgehört hat: beim spektakulären Besuch des Alt-Grünen Christian Ströbele bei Edward Snowden, unserem Mann in Moskau, dem wir den Echtzeit-Spionage-Thriller verdanken. Wie es scheint, laufen derzeit hochkarätige Transferverhandlungen, den jungen Mann in einen Untersuchungsausschuss einzubestellen oder wenigstens in eine deutsche Talkshow.
Man kann Moderatorin Maybrit Illner das Bemühen nicht absprechen, eine gewisse sachliche Ordnung zu ihrem Recht kommen zu lassen, aber im Verlauf ihrer Sendung zeigt sich doch, dass der Fragen zu viele und die Dimensionen zu groß sind, um noch den Überblick im frei flottierenden Datenfeuerwerk zu behalten. Sind so viele Spekulationen.
Ein Reim auf das Geschehen
Und so versuchen die geladenen Gäste, jeder nach seiner Facon, sich einen Reim auf das Geschehen zu machen, das gerade die Welt verändert. Fred B. Irwin, Chef der amerikanischen Handelskammer, versucht sich die deutsch-amerikanischen Verstimmungen als Familienkonflikt zu erklären. Jürgen Trittin findet, dass Edward Snowden sich um Deutschland verdient gemacht hat, und die Ex-, Noch- oder schon-wieder-Piratin Marina Weisband erklärt, dass wir uns nicht mehr nur vor den Machenschaften des eigenen Staates zu schützen haben, sondern auch vor denen anderer Staaten und sowie den freundlichen Digitalanbietern und anderer Großunternehmen. Sie benutzt so schwierige Worte wie Dichotomie und macht damit die Gastgeberin Illner ganz wuschig. Dem erfahrenen Diplomaten Wolfgang Ischinger gelingt es dann aber, sie mit einer einfachen Botschaft zu beruhigen, indem er davor warnt, einem deutsch-amerikanischen Krieg zu sprechen, was in dieser freundlichen Runde auch niemand getan hat. Stattdessen werden so ernste Themen verhandelt wie: Industriespionage, Aussetzen des Freihandelsabkommens, die Zugehörigkeit zum Club der „five eyes“, Demokratieprobleme, Verschlüsselungsfragen und der Forderung nach einer europäischen Unabhängigkeitserklärung. Ach, Europa.
Keine Ahnung, ob Christian Ströbele sich mit Edward Snowden über die kulturellen Folgen von dessen mutigen Verrat unterhalten hat. Aber wenn Snowden eine Idee davon erhalten möchte, sollte er sich Sendungen wie diese ansehen, und dabei am besten einer mongolischen Simultanübersetzung vertrauen.
Als dann Peter Scholl-Latour bei Markus Lanz auftauchte, war die Welt aber wieder in Ordnung.