TV-Kritik zu "Maybrit Illner" TV-Kritik zu "Maybrit Illner": Alles nur geträumt?

Frankfurt - Maybrit Illner nahm die aktuelle Diskussion über die Wohnungsvermittlung von AirBnB und die Taxi-Konkurrenz von „Uber“ zum Anlass, nach der Zukunft der Arbeit zu fragen: "Bieten, mieten, tauschen – Macht das Internet unsere Jobs kaputt?“ lautete der wie üblich nach Boulevard-Manier unsinnig zugespitzte Sendungstitel, aber die Debatte blieb über dieses Niveau erhaben.
Kapitalismus wird „nicht verschwinden”
Die Redaktion hatte zudem den US-amerikanischen Soziologen und Ökonomen Jeremy Rifkin geladen, der gerade mit seinen Thesen zur Überwindung der kapitalistischen Wirtschaftsordnung Furore macht, die er in seinem Buch „Das Ende der Arbeit und ihre Zukunft“ entwickelt hat. Und so durfte er zunächst auch hier seine Ideen von der „Shareconomy“ und der Produktion mit „Null-Grenzkosten“ propagieren. Der Kapitalismus werde nicht verschwinden, sondern sich transformieren, glaubt Rifkin und führt als einen Beleg dafür an, was mit der Musikindustrie geschehen ist. Ähnlich werde es auch dem Energie-Sektor gehen, wenn weiterhin viele kleinere Produzenten kooperierten und damit die Riesen wie RWE und Eon zwängen, zu Dienstleistern zu werden, zu Managern der Verteilung von Energie.
Unterstützung erhielt Rifkin von Anke Domscheit-Berg. Das als „Netzaktivistin“ vorgestellte Mitglied der Piratenpartei ist sicher, dass es keine Alternative zu einem grundlegenden Wandel des Wirtschaftssystems gibt: „Der Kapitalismus macht die Erde kaputt“, sagte sie und verwies darauf, dass es nun einmal unmöglich sei, dass jeder der fast anderthalb Milliarden Chinesen sein eigenes Auto haben könne – was Peter Altmaier, CDU und Kanzleramtsminister, pflichtgemäß damit konterte, dass man dem Volk im Reich der Mitte nicht das Auto verbieten könne.
Altmaier mit peinlichstem Spruch des Abends
Altmaier war wohl geladen, um so etwas wie das konservative Gegengewicht zu den Utopisten um Rifkin, Domscheit-Berg und den „WunderCar“-Betreiber Gunnar Froh zu repräsentieren, aber er konnte die Einladung nicht rechtfertigen, denn wieder einmal bot er bloß Sätze von allerallgemeinster Aussagekraft und zudem den peinlichsten Spruch des Abends, als er behauptete, den Kapitalismus habe man in der Bundesrepublik ja schon seit langem „gezähmt und überwunden“. Worauf Maybrit Illner gewitzt nach den Karstadt-Mitarbeiterinnen fragte, um die sich nun wieder Gewerkschafterinnen wie Leni Breymaier kümmern dürfen, da sie wohl bald vom angeblich nicht mehr existierenden Kapitalismus und dank dessen Handlangern wie Thomas Middelhoff und Nikolaus Berggruen von ihrem Arbeitsplatz entfernt werden.
Ein Fehler bei Karstadt sei die Ignoranz gegenüber dem Internet gewesen, sagte Breymaier und nannte Firmengründungen wie Uber und AirBnB ein „sensationelles Beispiel“ dafür, wie sich die Arbeitswelt durch die Digitalisierung verändere. Deshalb müsse man die künftige Wirtschaftsordnung „klug gestalten“. Nun ja, wenn die Politik dafür die Bedingungen zu schaffen willens ist, Netzneutralität etwa, wie Rifkin und Domscheit-Berg forderten. Letztere mahnte an, dass es auch für das Internet Regulierungen geben müsse, so könne man es „nicht einfach laufen lassen“, wenn eine Milliarde Menschen ihre Daten bei Facebook hinterlegten, es sei zudem eine Reform des Urheberrechts und auch des Patentrechts nötig – ohne den Namen Monsanto zu erwähnen, der längst für ein globales Verbrechertum auf dem Lebensmittelsektor steht.
Macht der Mega-Konzerne
Immer wieder kam aber die Sprache auf die Macht der Mega-Konzerne. Rifkin will mit der EU eine „Bill of Rights“ für das Netz erörtern, wirkte da bisweilen aber doch wie ein Träumer, wenn er eine „Autorität“ zu finden hofft, die dafür sorge, „dass Google transparent bleibt“. Bleibt? Ohnehin glaubt der Amerikaner, dass die Milliarden, die Uber und AirBnB wert sein sollen, „verschwendetes Geld“ seien, weil bald Menschen etwa in Berlin sich zu Kooperativen zusammenfänden und eigene Unternehmen gründeten. Aber wenn dann, warf die Moderatorin sein, die Großen die Kleinen schlucken – wie schon so oft geschehen?
Gunnar Froh aber, erst bei AirBnB und nun Personenbeförderer mit dem Carsharing-Projekt „WunderCar“, will sich nicht kaufen lassen. Und zu welchen Bedingungen arbeiten die Menschen bei den Start-Ups, beuteten die sich nicht selbst aus, wollte Illner völlig zu recht auch noch wissen. Die Frage im Sendungstitel jedenfalls wurde durch die Gäste ad absurdum geführt, denn: Arbeit gibt es genug, allein 130 000 Stellen fehlten in der Pflege, sagte Breymaier, und Visionär Rifkin ist sich sicher, dass die künftige Infrastruktur für das „Super-Internet“ Arbeitsplätze in Hülle und Fülle schaffe, schließlich müsse das System der Energie-Versorgung und mit ihm das Stromnetz umgebaut werden. Also: Sigmar Gabriel, übernehmen Sie!