TV-Kritik zu Günther Jauch TV-Kritik zu Günther Jauch: Große Einigkeit zur Krim-Krise
Berlin - So kann eine politische Talkshow auch sein – so sollte sie sein: Erstens aktuell, zweitens lehrreich. Wenige Stunden vor Sendebeginn hat Günter Jauch das Thema seiner Sendung über den Haufen geworfen. Streiche: „Armut in Deutschland“ - setze: „Putins Machtspiele – gibt es jetzt Krieg?“. Nur Linksfraktionschef Gregor Gysi blieb auf der Gästeliste. Der ist halt eine Universalkraft. So wurde die Sendung ein halber ARD-Brennpunkt, nur ohne Ulrich Deppendorf. Die häufig so anheizenden Einspielfilme waren an diesem Abend vor allem informativ.
Das galt auch für den russischen Journalisten Ivan Rodionov, der verbindlich im Ton, aber unmissverständlich in der Sache die Position seiner Regierung vertrat. Nachdenklich schaute Wolfgang Ischinger drein, der frühere deutsche Spitzendiplomat, als Rodionov die Legitimität der neuen ukrainischen Regierung anzweifelte. Aber kein sofortiger Widerspruch.
Die ehemalige Russland-Korrespondentin der Frankfurter Allgemeinen, Christine Hoffmann machte darauf aufmerksam, dass Russland seit dem Fall des eisernen Vorhangs nun schon die dritte antirussische Umwälzung bei seinem Nachbarn Ukraine erlebe. Das könne kein nationalistischer Präsident im Moskau akzeptieren. Bei aller Verurteilung der russischen Politik, ging es auch darum, ihre Beweggründe zu verstehen.
Große Einigkeit in der Gesprächsrunde - von der aus der Ukraine stammenden Piratenpolitikerin Marina Weisband und Gysi bis zu Ischinger, der heute der Münchener Sicherheitskonferenz vorsteht: Der Westen hat sich in Sachen Ukraine nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Der Ex-Diplomat erinnerte an Michail Gorbatschows großes Wort vom „gemeinsamen Haus Europa“. Bis heute gebe es darin kein Zimmer für Russland, aber auch nicht für die Ukraine, so der Ex-Diplomat. Deren Assoziierung habe die EU als „technisches Problem“ behandelt – wie Island. Aber nicht als große strategische Frage. So ist man nun offenbar in einen Machtkampf mit Russland hinein geschlittert.
Überraschende Einigkeit
Ischinger warnte, als sei er noch im Auswärtigen Dienst vor „Schönreden“ der Krise, aber auch vor „Überdramatisieren“. Während in der Nachrichtenagenturen die Meldung sich häuften, dass nicht nur die USA, sondern auch die anderen G8-Staaten, also des gemeinsamen Gremiums der wichtigsten Industriestaaten, die Absage des G8-Treffens in Sotschi vorbereiten, bestand Ischinger auf Diplomatie. Es gebe noch Möglichkeiten, „das Gespräch zu führen und zu deeskalieren“.
„So weit wir können“, gehe es nicht nur darum, das Gespräch mit Russland aufrecht zu erhalten, sondern auch auf die Ukraine einzuwirken, damit deren Politiker sich „mäßigen“. Sie müssten eine Regierung bilden, die auch jene Kräfte einbeziehe, die zu Russland neigten.
Anders als Gregor Gysi, dachte Ischinger bei Vermittlung aber nicht an Sondergesandte wie Ex-UN-Generalsekretär Kofi Anan, sondern an bewährte Gremien. So habe der die Nato sich für die Einberufung des Nato-Russland-Rates ausgesprochen, statt wie in früheren Krisen das Gegenteil zu tun. Der Ex-Diplomat sprach sich auch für eine gemeinsame „Kontaktgruppe“ aus. Im nächtlichen Telefongespräch mit Bundeskanzlerin Angele Merkel hat Kremlchef Wladimir Putin dem offenbar schon zugestimmt.
Gregor Gysi war selbst erstaunt, wie viel Einigkeit es an diesem Abend zwischen ihm und Ischinger gab. Beide lehnten Sanktionen gegen Russland ab. Der Ex-Diplomat kritisierte (dann mal richtig undiplomatisch) scharf den Plan der USA und ihrer Verbündeten, den Gipfel in Sotschi abzusagen.
Im Gegenteil, so seine Forderung, eher müsse ein schneller Sondergipfel einberufen werden, um mit Russland über den Konflikt um die Ukraine zu reden. Ein bemerkenswertes Ausrufezeichen zur Krise, nicht irgendwo am Rand der Welt, sondern mitten in Europa.