TV-Kritik "Günther Jauch" TV-Kritik "Günther Jauch": VW-Skandal: "Die Leute wussten mehr als sie zugeben"

Berlin - Er ist wieder da – als ob nicht gewesen wäre: Günther Jauch kommt im VW zur letzten Staffel seiner ARD Talkshow gefahren. Der Spritzer Infotainment, mit dem der Quizmaster die Mutter der politischen Talkshows aufmotzen sollte. Der Erkenntniswert hält sich in Grenzen. Wie immer.
Der Deutschen liebster Moderator fährt in einem Auto zur Arbeit, das einst der Deutschen liebstes Kind war. US-Behörden haben aus dem süßen Käfer „Herbie“ nun einen Skandalkäfergemacht. Jauch hat selbst erkannt, dass er hier nicht endlos weiterlaufen sollte. Von Januar übernimmt Anne Will wieder ihren alten Sendeplatz nach dem Sonntagskrimi.
Dennoch ist dies eine besondere Sendung, nicht nur weil mit ihr die letzte Jauch-Staffel beginnt. Dass die für ein Thema wichtigsten Gäste komplett absagen, als hätten sie sich abgesprochen – ist schon ungewöhnlich. Weder ein Vertreter VW-Konzerns, noch des Bundesverbandes der Automobilindustrie, noch der Bundesverkehrsminister oder ein Politiker aus Niedersachsen, dem erhebliche VW-Anteile gehören – keiner mag in der Fernsehöffentlichkeit über einen der größten Betrugsfälle der jüngeren deutschen Wirtschaftsgeschichte reden.
Wer wusste mehr?
Das ist dann auch schon der wichtigste Ertrag deser Sendung. Denn diese komplette Abstinenz scheint den Verdacht zu bestätigen, den nicht nur der grüne Fraktionschef Toni Hofreiter an diesem Abend äußert: Da haben mehr Leute mehr gewusst als sie heute zugeben - oder zumindest etwas geahnt und lieber nichts Genaueres wissen wollen. Nicht nur im VW-Konzern, sondern auch in der deutschen Politik.
Die Grünen haben es selbstverständlich schon immer gewusst, auch wenn Hofreiter auf nähreres Befragen zugeben muss, dass auch dies nur eine Ahnung war. Aber er und Umweltexperte Axel Friedrich können darauf hinweisen, dass ausgerechnet im genauen Deutschland keine wirklich genauen unabhängigen Tests für Autos existieren – jedenfalls nicht, wenn es um die umweltschädlichen Kehrseite des fahrtbaren Untersatzes gibt.
Mit Hilfe des Hauptautors der aktuellen Spiegel-Geschichte zum Thema, Dietmar Hawranek, erwächst daraus der nächste Verdacht: Die Deutschen, ein Volks von Autokäufern, hat vor dem Kauf ihres Autos die Sucht nach einem Test verlassen, der sie so gern fröhnen, wenn es um einen neuen Staubsauger geht oder eine Gesichtscreme. Andernfalls hätte es nicht so lange dauern können, bis die Sache mit der manipulierten Software in den VW-Dieseln auffliegt. Die meisten hat eher weniger interessiert, ob ihr liebstes Stück ein Stinker ist.
Kein Generalverdacht
Talkshowdauergast Wolfgang Kubicki zeigt dann, wie man auch mit scharfen Worten abwiegeln kann. Betrug, ruft der erstens Anwalt, schwerer Betrug sogar. Rechtsauskunft: Darauf steht Gefängnis bis zu zehn Jahren. Dass die VW-Spitze nichts von der Masche gwusst hat, kann er sich so wenig vorstellen wie die anderen in der Runde.
Aber der zweitens FDP-Politiker möchte nicht, dass die Autobranche oder Made-in-Germany nun unter Generalverdacht gestellt wird. Dass auch bei der Konkurrenz nun genauer hingeschaut wird, von Dietmar Hawranek und seinen Kollen, wird er nicht verhindern können. Will er auch nicht. Denn die nächste Diskussionsrunde zum nächsten Skandal kommt bestimmt.
Damit ist Anja Kohl ins Spiel. Die Börsenexpertin der ARD, wittert, was die Menschen fast so gern mögen wie ihr Auto: Eine Verschwörung. Mit dem harten Vorgehen gegen VW wollen die US-Behörden ihrer schwächelnden Auto-Industrie gegen die lästige ausländische Konkurrenz besispringen. Schade nur, dass Axel Friedrich berichten kann, welche hohen Strafen sie auch gegen amerikanische Umweltsünder verhängen.
Was das Ganze den Autokonzern kosten wird, wie lange erbraucht, um wieder auf die Beine zukommen – darüber hat die Gesprächsrunde unterschiedliche Schätzungen. Auf jeden Fall dürftes es teuer werden, wenn auch wohl nicht unbezahlbar. Da sind alle einig. Aber ein Teil der Diskutanten traut dem Konzern (und den von Skandalen schnell ermüdbaren Deutschen) zu, dass der Skandal in ein zwei Jahren schon wieder überwunden sein wird. Anders als Günther Jauch mit seinem Gastspiel in der ARD dürfte VW ebend doch weiterlaufen und laufen und...