TV-Kritik "Die Hebamme" TV-Kritik "Die Hebamme": Nichts für Schwangere
Ach, wie finster war es doch in längst vergangenen Zeiten. Egal ob im Mittealter der „Wanderhure“ oder jetzt, im neuen Historienschinken „Die Hebamme“, mit dem Sat. 1 die zahlreichen Fans dieses Genres am Dienstag beglückt. Nach dem zwar schwer nachzuvollziehenden, aber nichtsdestotrotz überwältigenden Erfolg der Iny-Lorentz-Verfilmungen mit Alexandra Neldel als tapferer Hure wider Willen darf nun Josefine Preuß als mindestens ebenso mutige und emanzipierte Hebammenschülerin Gesa ran. Und Sat. 1 scheint sich auch von diesem Film Großes zu erwarten.
Lernen am lebenden Objekt
Gesa steht zu Beginn des Dramas im Jahr 1799 am Sterbebett ihrer Mutter, deren letzter Wille es ist, dass die Tochter ebenso wie sie Hebamme wird. Also macht sich die junge Frau auf nach Marburg, um dort bei Elgin Gottschalk (Lisa Maria Potthoff) das Handwerk der Geburtshilfe zu erlernen. Doch diese schickt sie weg und so geht Gesa in ein Gebärhaus, um sich ausbilden zu lassen. Dort nutzt der renommierte, aber herzlose Professor Kilian (Axel Milberg) die Not von Frauen, die unverheiratet schwanger geworden sind und deshalb als ehrlos gelten, gnadenlos aus; seine Studenten können am lebenden Objekt erlernen, wie man Kinder auf die Welt holt.
Doch Gesa hat nicht nur mit dem fiesen Professor zu kämpfen: Eine Reihe von angeblichen Selbstmorden entpuppt sich nach einiger Zeit als Mordserie. Und plötzlich sind auch Gesa und ihre Freundin Lotte (Alicia von Rittberg) nicht mehr sicher. Und als wäre das alles noch nicht genug, verliebt sich Gesa in Clemens Heuser (Andreas Pietschmann), den Leiter des anatomischen Instituts.
Es ist eine äußerst wilde Mischung aus Drama, Liebesgeschichte und Krimi die Regisseur Hannu Salonen und Drehbuchautor Thorsten Wettcke dem Publikum in „Die Hebamme“ präsentieren. „Bei der Verfilmung der auf dem Bestsellerroman von Kerstin Cantz basierenden Kriminalgeschichte dürfen sich die Zuschauer auf ein bildgewaltiges Abenteuer mit hervorragender Besetzung in einem außergewöhnlich modernen Look freuen“, lobt Jochen Ketschau, Senior Vice President Deutsche Fiction und Ko-Produktion von ProSiebenSat.1, den Film.
Gut besetzt ist er in der Tat, doch bei den Bildern übertreibt es Kameramann Wolf Siegelmann doch das ein oder andere Mal. Und auch die schrecklich bedeutungsschwangere Musik fügt ihren Teil zu dem Gefühl bei, dass hier eindeutig eine Schippe zu viel auf alles aufgeladen wurde. Dabei haben die Ausstatter und Requisiteure ganze Arbeit geleistet: Blut, Schlamm und Schweiß spritzen nur so und Frauen, die schwanger sind, sollten sich den Film vielleicht lieber nicht anschauen, so ausufernd wird hier bei Geburten gelitten. Allerdings krankt „Die Hebamme“ vor allem an demselben Problem, das auch schon die Fernsehverfilmungen der „Wanderhure“ hatten. Die Geschichte mag zwar in der Vergangenheit spielen, die Charaktere und Dialoge sind jedoch eindeutig unserer Zeit entlehnt.
Zu plump, um zu überzeugen
Für Josefine Preuß, die durch die ARD-Vorabendserie „Türkisch für Anfänger“ bekannt wurde und zuletzt in dem Historienstreifen „Die Pilgerin“ zu sehen war, steht fest: „Die Figur der Gesa macht eine unglaubliche Entwicklung durch.“ Eben diese Entwicklung ist wie alles an diesem Film heillos übertrieben: aus dem naiven Mädchen wird binnen kürzester Zeit eine selbstbewusste Geburtshelferin.
Doch das Prinzip „Starke Frau setzt sich in einer männerdominierten Welt durch“, das hier nach exakt demselben Muster anderer Filme des Genres abläuft, ist zu plump, um wirklich zu überzeugen.