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Tony Vaccaro Tony Vaccaro: Aus Feinden wurden Freunde

Von Fred Reinke 18.06.2001, 18:47

Halle/MZ. - Der freundliche alte Herr,dem man seine 79 Jahre nicht ansieht, erzähltGeschichten, nachdenkliche Episoden und Anekdotenzu seinen Fotografien, die vor mehr als 50Jahren in Deutschland entstanden sind.

Tony Vaccaro, der "Soldat mit der Kamera",wie der in Greensburg/Pennsylvania geboreneSohn italienischer Einwanderer genannt wird,kam als 22-jähriger Soldat der US-Army überdie Normandie nach Deutschland. Neben demGewehr hatte er einen Fotoapparat im Gepäck,den er sehr viel öfter in die Hand als dieSchusswaffe nahm.

Vaccaro fotografierte Kämpfende, Sterbende,Tote, zerstörte Städte und den mühsamen Wiederaufbauin Deutschland. "Ohne diese Bilder hätte ichkeinen Sinn gesehen, weiterzuleben", sagtder vitale Mann, der derzeit durch die Bundesrepubliktourt und am vergangenen Freitag in HalleStation machte, um auch hier sein Buch "EnteringGermany 1944-1949" (Taschen Verlag, 39.95Mark) vorzustellen. Bis 1949 blieb Vaccaroin Deutschland und fuhr mit seinem Jeep durchdas Land. Mehr als 10000 Fotos entstandenin dieser Zeit, von Trümmerfrauen und Kriegsinvaliden,von Heimkehrern und von den "Frolleins", wieer jene Frauen nennt, die sich mit den Siegernamüsierten, um auf diese Art ihr Überlebenzu sichern. Seine Kriegsfotos blieben Jahrzehnteunbeachtet, nicht ein einziges davon wurdein den USA veröffentlicht, wo Tony Vaccaroals gefragter Modefotograf tätig war und auchProminente wie Frank Sinatra, Charlie Chaplin,Picasso und Hitchcock fotografierte.

Neben den Bildern des Grauens hat Vaccaroauch die zögernde Annäherung zwischen Siegernund Besiegten festgehalten. "Ich wollte zeigen,wie allmählich aus Feinden Freunde wurden",erzählt Vaccaro und kommentiert seine Bilderauch mit Anekdoten: Wie deutsche Bauern die"Besatzer" mit dem Pferdewagen in einen Nachtklubfahren, wie ihm weil er zufällig dessen Hausdurchsuchte - der Bürgermeister von Wernigerodedie Stadt übergab, wie Amerikaner Kinderndas Baseball-Spiel erläutern oder wie sichjunge deutsche Frauen mit GI's verlobten.

Geschichten zu Fotografien, zwei Stunden plaudertTony Vaccaro in Halle über die weit zurückliegendenEreignisse als hätten sie sich erst gesternereignet. Und er erläutert an den Dias, dieer zeigt, wie anfängliches Misstrauen undHass allmählich einer Vertrautheit Platz machen.Die entdeckte Vaccaro vor allem in den Augender Kinder, die sich als erste den Amerikanernfreundschaftlich näherten.

Bilder des Schreckens und der Hoffnung: TonyVaccaro, der seine Bilddokumente "eine Sinfonievom Ende bis zu einem neuen Anfang" nennt,zeigt unterschiedliche Facetten Nachkriegsdeutschlandszwischen der Stunde Null und ersten Schrittenauf dem Weg ins Wirtschaftswunder. Sie habenauch 56 Jahre nach Kriegsende im wiedervereinigtenDeutschland, das erst jetzt beginnt, die Zwangsarbeiterzu entschädigen, nichts von ihrer Brisanzeingebüßt.