Deutscher Film "Toni Erdmann" "Die Blumen von gestern" und "In Zeiten des abnehmenden Lichts": Deutsche Filme - Alles Kino? Schön wär's!

Halle (Saale) - Der deutsche Film, das ewige Sorgenkind. Unterfinanziert, ängstlich, wenig bemerkt. Und immer am Klagen. Manche kennen ihn nicht einmal. Weil in den Multiplex-Unterhaltungsfabriken überwiegend massentaugliche Meterware aus Hollywood abgespult wird.
Aber deren Produzenten scheinen vieles richtig zu machen, jedenfalls in Sachen Professionalität. Vorausgesetzt, das Budget stimmt. Und die Marktbeobachtung auch. Dann wird ein Erfolg durch immer neu angestrickte Teile in die Zukunft gedehnt. Man kennt das von den Pullovern seiner Kindheit. Schöner wurden sie meist nicht davon. Das ist bei Filmen nicht anders.
Der deutsche Film: Das Problem liegt oft schon in der ästhetischen Mitsprache
Aber zurück zur heimischen Kost, um die sich immerhin staatliche Filmförderinstitute wie die in Leipzig ansässige Mitteldeutsche Medienförderung sowie die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bemühen. Nur liegt hier das Problem oft schon in der ästhetischen Mitsprache:
Hat erst einmal ein Sender die Finger drin, wird aus dem Spiel- schnell ein Fernsehfilm, der dann irgendwann auch im Spätprogramm läuft. Zuvor hat er im Glücksfall deutschlandweit noch eine Handvoll Kinos erreicht.
Regisseur Eckhart Schmidt: „Sieben Todsünden des deutschen Films"
Der Autor und Regisseur Eckhart Schmidt, Jahrgang 1938, hat jetzt, passend zum Münchner Filmfest, einem beliebten Branchentreff, im Magazin „Blickpunkt: Film“ eine harsche Generalkritik vorgetragen und unter dem Titel „Angst essen Seele auf“ die „sieben Todsünden des deutschen Films“ aufgelistet. Ein polemischer Beitrag, gewiss. Aber wer nicht polemisiert, wird eben auch nicht gehört.
„Der deutsche Film ist die Realisierung der Handbücher vom Drehbuchschreiben“, meldet Schmidt. Sein Befund lässt sich auf den Nenner Angst bringen - Angst vor Schönheit zum Beispiel. Das Streben nach Wahrhaftigkeit schlösse indes schöne Bilder nicht aus. Da hat er Recht.
Machten von sich reden: „Toni Erdmann" und „Die Blumen von gestern"
Um den Gedanken aufzugreifen: In jüngster Zeit haben zwei deutsche Filme verhältnismäßig viel von sich reden gemacht, einer davon sogar international. Die Rede ist natürlich von „Toni Erdmann“ (Regie: Maren Ade), der fast in Cannes und fast bei den Oscars etwas gewonnen hätte. Aber eben nur fast.
Der andere, „Die Blumen von gestern“ (Regie: Chris Kraus), hatte dann immerhin bei den Nominierungen für den nationalen Preis, die Lola, die Nase vorn. Eine nicht unverdiente Überraschung, aus der dann aber nichts wurde. „Toni Erdmann“ sollte, so konnte man vermuten, wenigstens zu Hause den Pott holen. Alles andere wäre womöglich schwer vermittelbar gewesen. Und „Die Blumen von gestern“ mit Lars Eidinger und Adèle Haenel hatten das Nachsehen.
„Toni Erdmann" geriet zu verkopft, „Die Blumen von gestern" ist von erfrischender Sinnlichkeit
Nun mag es ja sein, dass „Toni Erdmann“ viele Vorzüge hat, sogar eine latente Komik. Aber bei aller großartigen Schauspielkunst von Sandra Hüller als Inkarnation des technokratisch-verknoteten Zeitgeists - ein sinnlicher Film ist die obendrein sehr längliche Produktion nicht geworden, sondern über weite Strecken doch sehr verkopft.
„Die Blumen von gestern“ dagegen sind bunt, manchmal grell, politisch unkorrekt und von großer, erfrischender Sinnlichkeit. Man langweilt sich nie - selbst, wenn dieser Film wahrscheinlich noch besser geworden wäre, wenn er weniger und nicht alles hätte erzählen wollen - von der großen Liebe bis zur deutschen Erinnerungskultur.
„In Zeiten des abnehmenden Lichts" über weite Strecken enttäuschend
Um ein jüngstes Beispiel noch zu nennen: „In Zeiten des abnehmenden Lichts“ von Matti Geschonneck wird hoch und runter gelobt - und ist dabei doch ein über weite Strecken enttäuschender Film. Hier wird ein Erinnerungsbild an die hinscheidende DDR mit wurmstichigem Interieur möbliert und mit einer irgendwie doch glänzenden, aber nach Bohnerwachs riechenden, ockerbraunen Patina überzogen.
Nicht Bruno Ganz, der tut, was er tut, sondern einzig der großartige Sylvester Groth vermag es, einen im Kino nicht gänzlich zu ermüden. Nichts wird hier wirklich geklärt, dafür erklären die Protagonisten sich immer mal gegenseitig, was sie eigentlich wissen müssten. Aber der Zuschauer soll es ja verstehen, wovon die Geschichte handelt.
Geschichte soll filmisch abschließend erklärt werden
Also müssen die Darsteller historisches Pingpong spielen. Anderes bleibt sehr im Dunkeln: Warum hat der junge Mann, um den es auch geht, eigentlich die Nase derart voll von der DDR? Und was hat Angela Winkler in diesem Film zu tun? Man versteht es einfach nicht.
Auch hier hätte Dramaturgie vielleicht helfen können. Mehr Fernseh- als ein Spielfilm ist es obendrein auch. Wenig, was einen mitlachen oder mitfiebern oder mitheulen lassen würde. Dafür ist wieder einmal, wie schon bei „Das Leben der Anderen“ oder „Der Untergang“, die hehre Absicht erkennbar, großen Geschichtsabschnitten eine abschließend wirkende Erklärung filmischer Art hinterherzuschicken: So war es, Bürger! Und macht einen Haken dran! Alles nur Kino? Schön wär’s gewesen. (mz)