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Tilman Riemenschneider Tilman Riemenschneider: Bildband erinnert an den Bildhauer aus Würzburg

Von Günter Kowa 23.03.2005, 18:17

Halle/MZ. - So wird vereinbart, dass der Zyklus das Abendmahl mit den Jüngern in den Mittelpunkt nimmt: "in dz (das) corpus das abentessen Cristi Ihesu mit seinen zwölfbotten". Auf dem rechten Flügel ist der Palmsonntag darzustellen: "als Cristus uff dem esel eingeritten ist", auf dem linken "Cristus am Ellberg" (Ölberg), das heißt Christus im Gebet im Garten Gethsemane, als die Jünger eingeschlafen und die Häscher bereits unterwegs sind.

Seele im Holz

Das ist das Motiv zur Kulturseite, entnommen aus einem der fotografisch, wenn auch nicht typografisch schönsten Bildbände, die 2004 erschienen sind. "Tilman Riemenschneider und sein Erbe im Taubertal" mit Fotografien von Dorothea und Wilfried Berberich ist ein Luxus, der für Liebhaber von Riemenschneiders Kunst oder den Reizen des Taubertals oder beidem geradezu Verpflichtung ist.

Hunderte von Abbildungen kehren in raffinierter Ausleuchtung die ganze Skala ausdrucksstarker Gestik und Mimik der Figuren Riemenschneiders hervor. Sie lenken den Blick auf Qualitäten der skulpturalen Arbeit: die Wechselbeziehung von Holz und Relief, die Verschiedenartigkeit der Oberflächen. Hier zeigt sich Riemenschneiders Genius, der in der Gabe liegt, seinem - dem Holz - Seele einzuflößen und seine Figuren mit allen Regungen des Gemüts zu beleben.

Zum Beispiel die Gethsemane-Szene. Da ist die Dreiergruppe der schlafenden Jünger: jeder mit seinen individuellen Zügen charakterisiert. Petrus ist wie so oft die dankbarste Figur, der Fischer mit seinem gegerbten Gesicht und den schwieligen Händen. Im Zentrum Christus in seiner verklärten Einsamkeit und Verzweiflung, den Blick auf jenen Kelch gerichtet (nur der Griff ist erhalten), der an ihm vorübergehen möge. Längst ist es denn auch Riemenschneider, der in der Jakobuskirche das Ziel der Wallfahrer, nämlich der Wallfahrer zur Kunst, abgibt. Doch es liegt selbst für die Zeit der Entstehung die Vermutung nahe, dass der Altar als religiöse Pilgerstätte keine wirklich bedeutende Rolle gespielt hat, es sei denn zum Lobe Riemenschneiders.

Allzu konstruiert erscheint im Vergleich dazu der eigentliche Gegenstand der Verehrung, das heißt die Reliquie der Heiligblut-Kapelle der Jakobuskirche. Sie ist eingeschlossen in einem Gefäß aus Bergkristall. Montiert ist es an dem Kreuz im prachtvoll filigranen Altaraufbau, wo es Riemenschneider zudem von zwei Engeln präsentieren lässt. Allerdings handelt es sich dabei nur um ein Stück Leinwand, das Tropfen verschütteten Abendmahlsweins aufgesaugt hatte. Einem Priester war das Missgeschick bei der Messe passiert.

Wein wird Blut

Nun geschieht zwar in der Auffassung der mittelalterlichen Kirche bei der Gabe von Wein bei der Messe die "Wandlung" - der Wein wird nicht nur symbolisch, sondern real zum Blut Christi. Doch die Rothenburger Messweinspritzer dürften in der damaligen Konkurrenz noch viel "realerer" Zeugnisse der Passion Christi oder des Leidens der Märtyrer allenfalls lokal Aufsehen erregt haben. Indem aber die Stadt den Altar beim besten Bildhauer der Zeit in Auftrag gibt, will sie das Manko offenbar ausgleichen. Mit nachhaltigem Erfolg, wie die Touristenströme beweisen.

Erik Soder von Güldenstubbe und Ariane Weidlich: "Tilman Riemenschneider und sein Erbe im Taubertal", Kunst-Schätze-Verlag, Gerchsheim, 352 Seiten, 98 Euro