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Till Brönner Till Brönner: Mann der sanften Töne goes Hollywood

09.05.2006, 09:42
Der deutsche Jazz-Trompeter Till Brönner bei Proben im Theater am Marientor in Duisburg (Foto: dpa)
Der deutsche Jazz-Trompeter Till Brönner bei Proben im Theater am Marientor in Duisburg (Foto: dpa) dpa

Hamburg/dpa. - Till Brönner, der bekanntestedeutsche Jazz-Trompeter, bezieht Quartier in Alsternähe. Rezeption,Schlüssel, kurzer Gang aufs Zimmer, schon ist er wieder in derLounge. Im frischen weißen Hemd mit hochgekrempelten Ärmeln macht eres sich in einem der braunen Lederfauteuils bequem - bei einem GlasWasser.

Tempo legt er vor, der 35-Jährige, der gerade noch in der Schweizdie ersten Konzerte einer nahezu ganzjährigen Tournee gab. Hamburgwird auch Station sein, aber nicht bei diesem Besuch. Sein jetzigerAufenthalt in der Hansestadt ist kurz, ein paar Auftritte in Funk undFernsehen, ein paar Interviews - schon geht es weiter nach Berlin,Leipzig, Düsseldorf, München. Mehr als 20 Städte in Deutschland undnoch ein paar in anderen Ländern stehen auf dem Tourplan.

Derzeit - und das ist in Brönners Fall wirklich ein dehnbarerBegriff - ist er ein sehr gefragter Mann. Wegen seiner freundlichenArt, wegen seiner Verlässlichkeit, natürlich vor allem wegen seinerProfessionalität. Der im nordrhein-westfälischen Viersen geboreneMusiker lacht: «Auf der Überholspur? Ich pass' schon auf», sagt erund dass seine Musik ihm ja Kraft gebe. Nicht nur ihm. AusverkaufteKonzerte, super Absatz seiner Platten sagen viel. Sein Jazz, immergespielt, manchmal gesungen und oft selbst komponiert, belebt undberuhigt gleichermaßen.

Nun gibt es etwas Neues von ihm, gerade erst in den Handelgekommen: «Oceana». Sein zehntes Studioalbum entstand in Hollywood,«an einem Ort, der wie kein anderer die Sehnsucht nach einer besserenWelt verkörpert», preist die Plattenfirma Universal Jazz die Scheibean. Und weiter heißt es, fast pathetisch: «Nach zwei Jahrzehntenintensiver Auseinandersetzung mit der freiheitlichsten Musik derGegenwart förderte Brönner an historischer Stätte ein ebensogeschichtsträchtiges wie zukunftweisendes Meisterwerk zu Tage, dasbisherige Mahner an die Jazz-Generation X aufhorchen lassen wird.» Zudick aufgetragen? Könnte man meinen - zumal Till Brönner selbst keinFreund der großen Worte zu sein scheint. Selbstbewusst, aberzurückhaltend tritt er auf. Er weiß, was er kann. Er weiß auch, wieProduktwerbung zu laufen hat.

«Also die Entscheidung, die Platte gerade in Hollywoodaufzunehmen, kam nicht zuletzt auch daher, dass der Produzent LarryKlein dort lebt.» Brönner nimmt einen tiefen Zug aus dem Wasserglas.Bei Klein befindet er sich in guter Gesellschaft mit anderenJazzgrößen - unter anderem mit Joni Mitchell, Madeleine Péyroux,Peter Gabriel und auch Leonard Cohen. «Aber das ist nur einlogistischer Hintergrund.» Der spirituelle sei, «dass es Teile imJazz gibt, die der Filmmusik sehr, sehr nahe liegen.» In den 50erJahren, da hätten ganz viele Jazzmusiker, die in Los Angeles lebten,auch für Filme Musik gemacht. Da sei es gang und gäbe gewesen, dassin vielen Filmen Jazz auftauchte.

Brönners Arbeit in Hollywood war stressig, wie er rückblickendsagt. Er sucht nach einem Vergleich zum kontinentalen, aber nicht nurgeographischen Gegenpol New York, ebenfalls eine seiner bevorzugtenWirkungsstätten. «Diese ganze West-Coast-Geschichte hat mireigentlich auf Dauer am meisten gegeben. Natürlich ist New York eineganz wichtige Zeit gewesen. Und in diese beiden Lager hat sich derJazz ja auch gespalten.» New York sei Jazz für den Kopf gewesen, LosAngeles Jazz für die Seele. Brönner lehnt sich entspannt zurück,gedanklich scheint er mal eben von Hamburg aus den Atlantik zuüberqueren - und den amerikanischen Kontinent, bis hin nachKalifornien, wo er laut Universal für «Oceana» «seine einnehmendeEleganz jenseits aller Erwartungen oder gar Klischees» entfaltet hat.

Herausgekommen ist in der Tat etwas ganz Feines, ganz sicher nichtnur für Jazzfans oder Freunde von Filmmusik. Letztere werdenvielleicht mit Verblüffung erleben, wie Jerry Goldsmiths Musik ausdem Film «Chinatown» auch klingen kann - verjazzt, klar und warm,gespielt auf der Trompete. Und wie das französische Top-Model CarlaBruni den Leonard-Cohen-Titel «In My Secret Live» interpretiert, wieMadeleine Péyroux Hank Williams «I'm So Lonesome I Could Cry» singt.Auch Till Brönner singt - «River Man» von Nick Drake. Vor allem aberspielt er Trompete - und wie.

Langsam füllt sich die Hotelhalle an diesem sonnigen Nachmittag.So mancher Blick streift den schlanken Mann, der versonnen aus demPanoramafenster schaut. Weitere Journalisten haben ihn entdeckt.Brönners Begleiterin Genia Jessen - PR-Frau von Universal - kümmertsich um sie. «Wir haben Zeit», sagt der Trompeter ruhig. Dann erzählter, wie er zum Jazz fand, von seiner frühen Begeisterung für CharlieParker, einem der Urväter des modernen Jazz, von seinem Entschluss,Musik zu studieren in Köln und Berlin, Trompete, Flügelhorn, Gesang,Komposition. Und von seinen Engagements bei Big Bands. Von seinerZusammenarbeit mit internationalen Jazzgrößen wie Tony Bennett, JamesMoody, Dave Brubeck und dem deutschen Erfolgskomponisten KlausDoldinger («Das Boot»).

Für Hildegard Knef (1925-2002) produzierte und komponierte Brönner1999 das Album «17 Millimeter». Auch mit Natalie Cole, Tochter desunvergessenen amerikanischen Jazzsängers Nat King Cole (1919-1965),arbeitete er zusammen. 1993 erschien Brönners erstes eigenes Album«Generations of Jazz». Da war er gerade einmal 22 Jahre alt. Kaum zuglauben, dass er in der kurzen Spanne seines Profi-Musikerlebenslängst in den Jazz-Olymp aufgestiegen ist. Mit allem, was dazu gehörtwie seine Ehrungen mit dem Preis der Deutschen Schallplattenkritikund dem Preis der Deutschen Plattenindustrie.

So etwas erzählt Brönner nicht von sich aus. Aber wenn es um seineMusik geht, dann wird er gesprächig. Früh habe er die Bekanntschaftmit Jazz gemacht. «Ja, wie alt war ich da, vielleicht acht, odersieben? Als ich zu Hause im Fernsehen Big Bands gesehen habe. Das hatmir damals eine Initialzündung verpasst.» Dann habe er das erste MalCharlie Parker gehört. «Da bin ich schier rückwärts umgefallen»,bekennt er lachend. «Das ist etwas, was sich nicht wiederholen lässt.(...) Die Entscheidung für die Trompete rührt eigentlich daher.» DassBrönner auch heute noch Parkers Musik liebt, versteht sich vonselbst. Und die von Frank Sinatra, Miles Davis, Shirly Horn, aberauch George Michaels «Songs Of The Last Century».

Brönner schlägt ein Bein über das andere. Hundert Mal hat erwahrscheinlich schon erzählt, wie es dann weiterging. Aber ungeduldigwird er nicht. «Ich habe Bigbandsachen gehört, war dann imLandesjugend-Jazzorchester, im Landesjugend-Blasorchester, die ganzenFörderanstalten, die es ja Gott sei Dank in Deutschland gibt, und bindann zum Bundes-Jazzorchester und zur Rias Big Band gestoßen, als ich20 war. Und von da an, ja, konnte ich meine eigenen Platten machen.»Und die Welt erobern. Das aber sagt er nicht.

Till Brönner hat mit «Oceana» sein zehntes eigenes Studio-Albumherausgebracht - Platten mit ihm gibt es wohl an die hundert. Unddann sind da noch die zahlreichen Konzerte. Bis zum Jahresende hat erein übervolles Bühnenprogramm vor sich. «Ich bin sehr viel aufReisen. Und ich produziere neben meinen eigenen Alben auch Musiker,die ich mal auf Konzerten gesehen und gesprochen habe, weil mir auchdie Förderung der nächsten Generation sehr am Herzen liegt.» Auchlängst etablierte Künstler, wie der deutsche Opernsänger ThomasQuasthoff, kommen in Brönners Studio und lassen ihre Platten von ihmproduzieren.

Also doch auf der Überholspur? «Na ja, es kommen diverse andereProjekte, so dass ich mich in der Tat ab und zu schon mal fragenmuss, was bleibt da eigentlich noch für Privates? Eben so gut wie garnichts», sagt der Vielbeschäftigte. «Wenn in einer Diskussion dieFrage fällt, führst du auch mal ein normales Leben, dann muss ichmich immer ausklinken aus der Diskussion, weil... Normal ist, dassdas Leben mehrheitlich geführt wird in der Gesellschaft. Und dem kannich mich noch nicht zuordnen.» Er arbeite darauf hin, versichertBrönner. Dann fügt er ganz heiter hinzu: «Ich habe dafür auch eingroßes Geschenk bekommen, Musik machen zu dürfen.»

Inzwischen ist die Flasche Wasser auf dem Glastisch vor demMusiker leer. Eine neue muss her, denn Till Brönner wird an diesemTag noch viele Fragen beantworten müssen, zunächst hier im Hotel, amAbend dann im Fernsehen. Vielleicht spricht er dann auch über seinneues Projekt - ein orchestrales Album im nächsten Jahr. «Dannarbeiten wir mit Streichern, mit größeren Ensembles, vielleicht mitBig Bands. Aber da lass ich mich nicht treiben. Wenn die Musik derMeister bleibt und nicht der oberste Befehlshaber wird, dann kanneigentlich nicht viel passieren.»