Thüringen Thüringen: Kopf in den Sand gesteckt

Weimar/Greiz/dpa. - Dabei stehen Land und Kommunen auf der einen und diealten Adelshäuser auf der anderen Seite. Immerhin gab es zunächsteinige hoffnungsvolle Zeichen: So einigten sich 2001 das Land und dasHerzogliche Haus Sachsen-Meiningen auf den Verbleib von 60 MeternArchivbestad, darunter die wertvollen Akten des Theaterherzogs GeorgII. in Meiningen.
Und die kulturhistorisch interessierte Welt atmete auf, als dieHandschriften Goethes und Schillers, wichtige Bestände der HerzoginAnna Amalia Bibliothek in Weimar und nahezu das vollständige Inventarauf der Wartburg bei Eisenach verblieben. Gegen Zahlung von 15,5Millionen Euro verzichtete das Herzogshaus von Sachsen-Weimar-Eisenach auf alle Rückgabeansprüche.
Inzwischen aber wird der eingetretene Stillstand beklagt. «DieLandesregierung gibt dem Thema keine Gewichtung und Priorität mehr»,sagt der Treuhänder des Herzogshauses Sachsen-Meiningen, des HausesReuß jüngere Linie und des Hauses Schwarzburg, Wolf von Trotha. Auchdie Stadt Sondershausen stecke beim Nachlass der 1951 gestorbenenFürstin Anna Luise von Schwarzburg «den Kopf in den Sand». Dagegensei die Zusammenarbeit mit den meisten Museen, etwa mit SchlossHeidecksburg in Rudolstadt, gut.
Dass nicht jede gütliche Einigung unter einem guten Stern steht,zeigt das Beispiel der Stadt Gera. 1997 erhielt das Fürstenhaus Reußrund 1500 Kunstgegenstände zurück, von denen ein Großteil kurz daraufbei einer Auktion für etwa drei Millionen Euro unter den Hammer kam.304 Objekte blieben vorerst als Dauerleihgaben bei der Stadt. EinigeJahre später gab es dann Streit um eine Reußen-Ausstellung imStadtmuseum. Das Adelshaus forderte zahlreiche Stücke zurück,darunter das Otto-Dix-Gemälde «Der kleine Teich im Riesengebirge». AmEnde zahlte die Stadt 480 000 Euro für 84 Gemälde, Plastiken,Edelmetalle, Waffen und Möbel; der Rest ging an die Reußen zurück.
«In Anbetracht der Rechtslage war etwas anderes als die gütlicheEinigung nicht möglich, um die Kunstgegenstände dauerhaft für dieGeraer Museen zu sichern», verteidigt der heutige Kulturdezernent derStadt, Frank Rühling, das damalige Vorgehen. Zumindest wisse sich dieStadt jetzt auf der sicheren Seite, wenn 2014 das Nießbrauchsrechtfür die Kunstgüter ausläuft. Daneben fordern die Reußen etlicheGebäude in Gera sowie Waldflächen in Ostthüringen zurück.
Dem Jahr 2014 blickt der Direktor des Thüringischen StaatsarchivsGreiz, Hagen Rüster, mit Bangen entgegen. Unter das seit 1994geltende Entschädigungsgesetz fallen auch Archivbestände, die einstim Privatbesitz der Adeligen waren. Das Verwaltungsgericht Geraentschied in diesem Jahr, dass das Adelshaus Reuß bei derRückerstattung des Hausarchivs Schleiz keine Einschränkung desEigentums hinnehmen und damit die Bestände nicht öffentlichzugänglich sein müssen. Allein dieses Archiv umfasst 70 laufendeMeter an Akten. Es ist eines von vielen, die rückübertragen wurden.
«Da muss dringend eine Lösung her», betont Rüster. Es handele sichum einmalige Quellen, die praktisch verloren wären, wenn sie inprivate Hände gelangten. «Sachsen-Anhalt geht viel offener auf dieErben zu, weil die Problematik klarer erkannt wurde», lobt Treuhändervon Trotha. Die Erben seien bereit, mit Schenkungen oderDauerleihgaben den Erhalt der Kunstwerke in den vergangenenJahrzehnten anzuerkennen. Aber: «Je jünger die Erben sind, destoschwieriger ist eine gütliche Einigung, weil sie nicht mehr so einenBezug zu den Objekten haben.»