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Thüringen Thüringen: Gotha erinnert sich an sein Theater

Von Antje Lauschner 10.08.2008, 15:09
Eine Postkarte von 1911 mit dem vor 50 Jahren gesprengten Stadttheater zeigt Matthias Wenzel, Vorsitzender des Vereins für Stadtgeschichte und Altstadterhaltung Gotha. Die Residenzstadt Gotha hat vor 50 Jahren eines ihrer markanten Gebäude verloren. (Foto: dpa)
Eine Postkarte von 1911 mit dem vor 50 Jahren gesprengten Stadttheater zeigt Matthias Wenzel, Vorsitzender des Vereins für Stadtgeschichte und Altstadterhaltung Gotha. Die Residenzstadt Gotha hat vor 50 Jahren eines ihrer markanten Gebäude verloren. (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Gotha/dpa. - Die Residenzstadt Gotha hat vor 50 Jahren einesihrer markanten Gebäude verloren. «Am 8. August 1958 begann - trotzmassiven Widerstands von namhaften Architekten, Denkmalpflegern undBürgern - die Sprengung des 1945 ausgebrannten klassizistischenTheaterbaus», sagte Matthias Wenzel, Vorsitzender des Vereins fürStadtgeschichte und Altstadterhaltung Gotha, in einem Gespräch mitder Deutschen Presse-Agentur dpa. Das Gebäude am Rande der Altstadtwar 1837 bis 1840 weitgehend nach Entwürfen des Architekten Karl-Friedrich Schinkel (1781-1841) im Auftrag von Herzog Ernst I. gebautworden. In den 1960er Jahren wurde auf dem freien Platz ein Hochhausmit Einraumwohnungen gebaut, heute steht dort ein Kaufhaus.

«Der repräsentative Bau, den unter anderem zwölf Säulen mit denNamen von Komponisten und Dichtern zierte, wurde am 3. April 1945zerstört, dem letzten Kriegstag in Gotha», erzählte Wenzel. Die US-Artillerie habe eine Flakstellung unmittelbar neben dem Gebäudebeschossen. Dabei sei ein Munitionstransporter getroffen worden. Dieumherfliegenden Teile setzten den Schinkel-Bau in Brand, der ohneLöschtechnik verloren war. «Ein paar alte Männer versuchten mitEimern zu löschen - hoffnungslos.» Das klassizistische Gebäudebrannte aus, stehen blieben die massiven Wände und Giebel.

Das Glück des Wiederaufbaus, das andere Schinkel-Bauten wie dieNeue Wache und das Schauspielhaus am Gendarmenmarkt in Berlin oderdie Nikolaikirche in Potsdam hatten, blieb der Theaterruine in Gothajedoch verwehrt. Wenzel, der seit 1995 den Geschichtsverein leitet,hat eine Vielzahl historischer Dokumente und Zeitungsausschnitte zueiner Chronologie der «Beseitigung eines Schandflecks unsererhistorischen Stadt» zusammengefügt, wie die Diktion der Stadtoberenin den 1950er Jahren lautete. «Nach einer so langen Zeitspanne undbei so einem brisanten Thema ist die Schuldfrage nicht mehr eindeutigzu klären», sagte der 42-Jährige. «Der Rat der Stadt hat den Abrissbeschlossen, der Stadtrat wurde jedenfalls nicht einbezogen.»

«Dabei hat es 1953 so ausgesehen, als ob der Abriss derTheaterruine mit der Rückbesinnung der DDR auf die nationalenBautraditionen abgewendet werden konnte.» Der Provisorische Beiratfür Architektur beim DDR-Ministerrat - ihm gehörte auch der frühereGothaer Stadtbaurat und Chefarchitekt von Berlin, Hermann Henselmann,an - sprach sich für eine genaue Wiederherstellung des alten äußerenZustandes aus. «Für den Wiederaufbau des imposanten Gebäudesspendeten die Gothaer 1947 bereits umgerechnet 50 000 D-Mark.» Wo dasGeld geblieben sei, sei unklar.

1958 hätten sich die Ereignisse überschlagen und fast über Nachtsei ein Sprengkommando bestellt worden, um dem Stadtbild «einsozialistisches Aussehen» zu geben, wie es in einemStadtratsbeschluss hieß. Selbst eine Besprechung noch am 8. August imKulturministerium Berlin habe den Bürgermeister nicht zum Umdenkenbewegen können. «Rund einen Monat wurde gesprengt - dokumentiert ineiner Foto-Serie eines Gothaers», sagte Wenzel. «Die Trümmerbergehaben dann die Gothaer innerhalb des Nationalen Aufbauwerkes zumGroßteil beseitigen müssen.»