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Thomas C. Heyde Thomas C. Heyde: Die Suche nach der Zukunft der Musik

Von Johannes Killyen 07.06.2002, 14:55

Leipzig/MZ. - «Ichhabe keine komplette Theorie in der Tasche»,sagt Heyde, «nur ein paar Ideen, was man vielleichtanders machen könnte. Aber das wird einemnatürlich alles um die Ohren gehauen.»

Überrascht hat es den Leipziger, Jahrgang1973, dass da in Stuttgart von der angesehenen"Neuen Musikzeitung" seinetwegen eine Diskussionangesetzt wurde, in der er dem Chef der DonaueschingerMusiktage gegenüber saß - eines der renommiertestenFestivals für Neue Musik. Was war geschehen?Nach den Donaueschinger Musiktagen im Herbst2001 war durch alle Feuilletons die Meinunggehallt: Der Komponistennachwuchs hat heutenichts mehr zu sagen. Dieser Ansicht warenThomas C. Heyde und Gleichgesinnte durchausnicht - und setzten einen Brandbrief auf,in dem sie Pfeile des Unmuts in die musikalischeLandschaft und vor allem auf deren FlaggschiffDonaueschingen abschossen. Große Festivalsmüssten sich die Frage stellen, "ob sie nochein Sprachrohr neuer Tendenzen sein oder sichin Selbstgefälligkeit ergehen wollen."

Heyde ergänzt: Festivals müssten sich wiederauf die Suche nach innovativen Komponistenbegeben, "weil die oft in andere Bereicheabgewandert sind". Als Leserbrief in der "NeuenMusikzeitung" veröffentlicht löste das SchreibenStürme der Zustimmung und Ablehnung aus -und bewies so zumindest, dass Diskussionenüber die Zukunft nicht ausgestorben sind.

"Ein Werk", sagt Thomas C. Heyde, "darf nichtnur mit einem selbst etwas zu tun haben -es muss Stellung nehmen zur Gesellschaft."Damit holt er, freilich nicht als einziger,ein Modell wieder hervor, von dem sich vieleder heute etablierten Komponisten in den 70erJahren verabschiedet haben. "Musik, die einevehemente Kritik an der Gesellschaft formuliert,findet man längst nur noch in der Popmusik- im Independent, im Rap", sagt Heyde. DemLockenkopf ist diese Musik vertraut, dennzu Studienzeiten hat er "mehr Zeit in Clubsals im Konzertsaal" verbracht. Er hat in Leipzigklassische wie elektroakustische Kompositionstudiert. Und als Arbeitsgerät dient ihm derComputer ebenso wie das Klavier.

Heyde setzt auf die Synthese von klassischemund elektronischem Instrumentarium: In "Fernen"(2000) verzaubert er den Klang dreier Blockflötenin eine rauschende Höhlensinfonie. Doch wobleibt die gesellschaftliche Relevanz? Auchwenn Heyde in "Ich - ein Fremder" (2001) dieRealität mittels Alltagsgeräuschen und Stimmfragmentenspiegelt, scheint es, als suche er die Relevanzeher in der Präsentation. "Wir müssen jungeLeute ansprechen", glaubt er. "Die sind anGeräusche und an Lautstärke gewöhnt. Und wirmüssen die Musik aus dem Konzertsaal befreien."

Im letzten Jahr hat er mit Freunden zwei Räumein einer alten Baumwollspinnerei bespielt."Da kann man auch mal aus dem Konzert rausgehen,Bier trinken, wenn man keine Lust mehr hat.Es ist doch albern, sich zwei Stunden langstill hinzusetzen." Freilich ist Heyde auchin traditionellen Konzerte vertreten, beidenen die ständige Anwesenheit der Zuhörergern gesehen wird: Er arbeitet zusammen mitdem traditionsreichen "Forum ZeitgenössischeMusik Leipzig" und war Preisträger beim Kompositionswettbewerbder halleschen Händel-Festspiele 2001. Einmalhat auch Thomas Christoph Heyde zum DonaueschingerKompositionswettbewerb eine Partitur eingereicht."Immerhin", sagt er, "ich war in der Endrunde".