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Theater-Konzept Theater-Konzept: Für drei Groschen tanzen die Puppen

Von Andreas Hillger 28.09.2007, 16:52

Berlin/MZ. - Am gleichen Ort, an dem er 1998 die Kostüme für den "Lindberghflug" von Bert Brecht gestaltete, darf er nun die "Dreigroschenoper"-Roben auf den Stil des Regisseurs Robert Wilson zuschneiden.

Das ist - wie meist - so ziemlich das Einzige, was Wilson einem Anderen überlässt. Regie, Bühne und Lichtkonzept gibt der Gesamtkunstwerker nicht aus der Hand. Und selbst die Musik klingt so, als habe der Meister der Entschleunigung hier seine Finger im Spiel. Damit ist zugleich das Hauptproblem dieses Abends genannt, der die Brecht-Zeile "Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral" in doppelter Hinsicht missversteht.

Wo einerseits so viel Wert auf Kulinarik gelegt wird, bleibt die Kritik auf der Strecke - und wo andererseits so ein fetter Köder ausgelegt ist, vergessen selbst die sonst so strengen Erben der Autoren ihre hehren Grundsätze. Wie anders wollte man erklären, dass die Ingolstädter Band Slut ihre freche Version der Weill-Songs vor Jahresfrist nicht veröffentlichen durfte, während man hier munter variieren und transponieren darf? Wilson braucht mehr Musik, als Weill geschrieben hat - und lässt sie sich von der Band um Hans-Jörn Brandenburg und Stefan Rager liefern.

Der Zweck heiligt schließlich die Mittel - und der liegt einmal mehr in den Bilderfindungen und der anti-psychologischen Figurenführung, die tatsächlich ein episches Theater-Konzept verfolgt. Allerdings entspringt dies nicht mehr der Welt-, sondern der Kunstanschauung im Irgendwo zwischen Struwwelpeter und Nosferatu. Und Wilson scheint inzwischen milder oder nachlässiger geworden zu sein, so dass hinter seinen Masken die Darsteller aufscheinen können.

Das gelingt vor allem Stefan Kurt, der die scharfen Konturen seines Mackie Messer auch ohne Lichthorizont zeichnen kann und selbst in femininer Korsage eine gute Figur macht. Jürgen Holtz und Traute Hoess sind ein Paar wie Punch and Judy und legen so eine Spur zu den englischen Quellen. Mit Christina Drechslers kesser Polly sowie Angela Winklers somnambuler Jenny sind auch die Zentralgeliebten gut bedient - obwohl das hysterische Tremolo der Winkler jeder singenden Säge Konkurrenz macht.

Dass Walter Schmidinger als reitender Bote in einen Fetzen jenes kostbaren Vorhangs gehüllt wird, der am Ende über der Szene fällt, ist freilich nicht ohne Pikanterie. Der Deus ex Machina hat an jenem Haus, wo "Die Dreigroschenoper" am 31. August 1928 uraufgeführt und in vier verschiedenen Inszenierungen rund 700 Mal gespielt wurde, ja längst die Intendanz übernommen - und verwechselt seine Tapferkeit in Etat-Kämpfen mit der Verhandlung der wirklichen Welt. Das Kalkül, dass der Maschinenmeister Wilson dafür regelmäßig die nötigen Kassenerfolge liefert, ist auch diesmal aufgegangen. Für drei Groschen aber dürfte das nicht zu haben sein.

Nächste Vorstellungen: Samstag sowie am 13. bis 15. Oktober, jeweils 19.30 Uhr