Theater Theater: Gewalt lässt «Keine Chance»
eisleben/MZ. - Gewalt unter Jugendlichen, Gewalt gegen Minderheiten und Schwächere - die Nachrichten reißen nicht ab. Jeder kennt das Phänomen, die Gutmenschen mahnen, die Zielgruppe stöhnt entnervt. Selbst wenn man davon ausgehen kann, dass viele Jugendliche eigene Gewalterfahrungen haben, sprechen sie doch nicht gern darüber. Auch am Freitagvormittag, nach der Vorstellung von Patric Tavantis eben an der Landesbühne Eisleben uraufgeführtem Jugendstück "Keine Chance", war das nicht anders.
Das ist auch nicht weiter schlimm, wenn das Stück wie im vorliegenden Fall gut und die Inszenierung (Regie: Ann-Kathrin Hanss) packend ist. Dann, darf man hoffen, werden die Diskussionen nach dem Ende der moderierten Debatte in kleineren Kreisen beginnen. Der Schauspieler und Autor Patric Tavanti, 1968 in Berlin geboren und von 1997-99 an der Landesbühne Eisleben engagiert, hat in seinem Zweipersonenstück eine sehr dichte, schlüssige und auch packende Geschichte über Gewalt und ihre Folgen erzählt.
Thomas (Timothy Nicolai) und Andy (Christian Steinborn) begegnen sich in einem Schuppen, der ihrer Clique als Treffpunkt für ihre Saufgelage dient. Thomas ist gerade aus dem Gefängnis entlassen worden, wo er drei Jahre wegen Mordes an einem Albaner saß.
Andy begrüßt Thomas als den unangefochtenen Chef, doch man merkt schnell, dass etwas nicht stimmt zwischen den Beiden. Thomas, der aus einer zerbrochenen Familie kommt, ist für einen Mord bestraft worden, den er nicht begangen hat. Und Andy, der weichlich wirkende zweite Mann in der Gruppe, hat offensichtlich etwas zu verbergen. Er kommt aus "gutem Hause", sein Vater ist Rechtsanwalt und hat den Junior noch jedes Mal herausgeboxt, wenn der in Schwierigkeiten steckte. So muss es auch damals gelaufen sein, als die Gruppe sturztrunken aufbrach, um Albaner zu verprügeln. Am Ende hatte einer von ihnen einen der verhassten Fremden umgebracht. Thomas war es nicht. Aber sein Auto war die Waffe gewesen. Und Thomas kam in den Knast.
Die Inszenierung und das konzentrierte Spiel der Darsteller bauen die Spannung geschickt auf. Zugleich wird ein plausibler Fall durchdekliniert, ohne allzu didaktisch die psychologische Keule zu schwingen: Woher rührt Gewalt, woher kommen jene, die sie ausüben? Thomas hat zu Hause selbst Gewalt erlebt, die vom trinkenden Vater ausging. Sein Held dagegen ist der Großvater, ein Flieger, der England bombardierte.
Dem klassischen Neonazi-Bild des grölenden und prügelnden SA-Verehrers entsprechen beide nicht. Angst vor ihnen kann man allerdings haben. Zumal vor Andy, dem kühl kalkulierenden Wohlstandsbengel. Aus dem Humus von Feigheit, Gemeinheit und Skrupellosigkeit ist schon furchtbares Unheil gewachsen in unserem Land. Und viele haben sich verloren dabei.
Nächste Vorstellung: Am Sonnabend um 19.30 Uhr im Foyer der Landesbühne