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Theater der Welt Theater der Welt: Sparwasser unterm Regenbogen

Von Andreas Montag 24.06.2008, 07:23
Der Performancekünstler Massimo Furlan (r.) und der ehemalige DDR-Fußballer Jürgen Sparwasser jubeln im Kurt-Wabbel-Stadion in Halle/Saale nach der Performance «22.Juni 1974, 21 Uhr 03» im Rahmen des Festivals Theater der Welt 2008, bei der Furlan die Spielweise von Sparwasser im Fußballspiel BRD-DDR vom 22.Juni 1974 im Hamburger Volksparkstadion nachspielte. (Foto: ddp)
Der Performancekünstler Massimo Furlan (r.) und der ehemalige DDR-Fußballer Jürgen Sparwasser jubeln im Kurt-Wabbel-Stadion in Halle/Saale nach der Performance «22.Juni 1974, 21 Uhr 03» im Rahmen des Festivals Theater der Welt 2008, bei der Furlan die Spielweise von Sparwasser im Fußballspiel BRD-DDR vom 22.Juni 1974 im Hamburger Volksparkstadion nachspielte. (Foto: ddp) ddp

Halle/MZ. - So geschehen am Sonntagabendim Kurt-Wabbel-Stadion, wo sonst die Heimspieledes hiesigen Viertligisten Hallescher FC ausgetragenwerden.

Das Spiel, das hier als Beitrag zum Festival"Theater der Welt" aufgeführt worden ist,hat eine besondere Geschichte: Immerhin wurdees auf den Tag vor 34 Jahren wirklich gespieltim Hamburger Volksparkstadion, Anlass wardie Fußballweltmeisterschaft, die Kontrahentenhießen Be-Err-Dehh (wie der Ostreporter korrektsagte) und De-De-Err (was dem Westreporterbemerkenswert locker über die Lippen ging).Trotzdem: Klassenkampf pur. Und die Osttruppe,der David, hat gegen den Goliath von drübengesiegt. Gut, es war nicht das Finale, dashaben Beckenbauer & Co. dann ja gegen dieNiederlande gewonnen. Dennoch bekommen gestandeneOstler heute noch feuchte Augen, wenn vonJürgen Sparwassers Siegtor in der 78. Minutedie Rede ist. Und mancher Mitbürger aus denalten Ländern wird wortkarg, wenn von diesem22. Juni 1974 gesprochen wird.

Gute Gründe, einen Weg zu finden, den Ballaufzunehmen, den Mythos zum heiteren Spielobjekt -aber keinesfalls lächerlich zu machen. DerSchweizer Massimo Furlan als Regisseur undAkteur in Personalunion hat die Gratwanderungriskiert - und gewonnen. Es hätte freilichauch schief gehen können, immerhin stehenwir Deutschen generell nicht im Verdacht,besonders humorfähig zu sein. Und erst rechtnicht, wenn es um etwas so Heiliges wie Fußballgeht.

Aber den liebt Furlan ja selber, das merktman in jedem Augenblick. Er nimmt den Sparwasserim knallblauen DDR-Trikot ernst, sonst würdeder Spaß nicht funktionieren - ebensowenig,wenn sich vielleicht nur hundert Menschenins Stadion verirrt haben würden. Aber eswaren 2000 gekommen und schauten zu, jederein kleines Radio ans Ohr gepresst, aus demwahlweise der Ost- und der Westkommentar von1974 schepperte.

Letzterer wurde von Heribert Faßbender gesprochen,der wie der echte Sparwasser am Sonntag alsEhrengast nach Halle gekommen war. Nicht ohneRührung - vielleicht aber auch nicht, ohneein wenig verunsichert zu sein: Was hat dieserKünstler vor? Wie soll man den Ball annehmen?Was soll das ganze Theater überhaupt?

Fragen, die schon Teil der Inszenierung sind.So vertrackt ist das mit Kunst. Man gibt denLeuten einen Finger, schon nehmen sie dieganze Hand. Natürlich hätte man Furlans Sparwasser-Sprints,seine gelegentlichen Ruhepäuschen und natürlichden bejubelten Torschuss einfach an sich vorbeiziehenlassen können. Dann wäre es aber eher langweiliggewesen. Als Mitspieler hingegen, der in dasSpektakel verwickelt wird, gewinnt das Unterfangenmit Mann und Maus den gewünschten Schwungzwischen Bier, Bratwurst und irritierendenSituationen: Stehe ich auf, wenn das Blasorchesterauf dem Rasen vor Spielbeginn beide deutschenHymnen intoniert? Oder nur bei einer, dienun die einzige ist? Höre ich Ost- oder Westradio?

Es ist ein heiterer Abend geworden im Wabbel-Stadion.Die angesagten Unwetter blieben aus, gottlob.Was wäre das auch für ein Symbol gewesen!Nur ein paar Regentropfen gab es, direkt zumSpielbeginn. Und dann einen Regenbogen wieaus der christlichen Werbung, kraftvoll undversöhnend spannte er sich über den halleschenHimmel. Den Festivalmachern von "Theater derWelt" scheint einfach alles zu gelingen. Und,was das Schönste ist: Das manchmal so ruppigerscheinende Halle hat das Festival an seingroßes Herz gedrückt.